===== Orts- und Ortskirchengeschichte =====
Böckingen befindet sich am linken Ufer des Neckars, südwestlich der Kernstadt Heilbronn und liegt am Abhang des Wurmbergs zum Neckartal hin. Es ist als Stadtteil von Heilbronn von den Ortschaften Sontheim, Horkheim, Klingenberg, Leingarten, Frankenbach und Neckargartach umgeben, die, ausgenommen von Leingarten, allesamt Stadtteile von Heilbronn sind. Böckingen hat sich in jüngerer Zeit durch Gewerbegebiete und Neubausiedlungen nach Norden und Westen ausgedehnt und gliedert sich in die beiden Teile Alt- und Neu-Böckingen, die durch Bahngleise, ein angrenzendes Kleingartenareal und den Rangierbahnhof voneinander getrennt sind. Bis ins 14. Jahrhundert hinein war Böckingen direkt am Ufer des Neckar-Hauptstromes gelegen. Durch ein enormes Hochwasser im Jahre 1333 entstand östlich des Hauptstroms ein Nebenkanal, der heute als Neckar-Altarm bezeichnet wird. Der teilweise ausgetrocknete frühere Flusslauf bildete den Böckinger See, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter trockengelegt und nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttet wurde. Auf den einstigen See weist heute nur noch die Straßenbezeichnung "Seestraße" hin. Im frühen Mittelalter gehörten zur Gemarkung auch das um 1400 abgetrennte Dorf Klingenberg, das im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnte und spätestens 1496 abgegangene Dorf Hetensbach bzw. Hetenesbach oder Heitingesbach sowie der Ort Rütlingshausen, auf den heute lediglich ein Flurname südwestlich von Klingenberg hinweist.
Bereits um 4000 v. Chr. sind in Böckingen erste Besiedlungsspuren auszumachen, die wohl auf den fruchtbaren Boden der Neckarauen zurückzuführen sein dürften. Um 85/90 n. Chr. errichteten die Römer nördlich von Böckingen das Kastell Heilbronn-Böckingen, welches zum Neckar-Odenwald-Limes gehörte. Es konnte erstmals 1886 genau lokalisiert und nachfolgend durch Ausgrabungen nachgewiesen werden. Die erste Erwähnung des Ortes Backingen oder Beckingen erfolgte in einer Schenkungsurkunde von 767, die im Lorscher Codex enthalten ist. 1140 wird im Hirsauer Codex erstmals das Geschlecht der Herren von Böckingen erwähnt, die aufgrund der Wappengleichheit vermutlich verwandtschaftliche Beziehungen mit den Herren von Neipperg pflegten. Deren Burg Böckingen war vermutlich auf einer Anhöhe im Bereich der heutigen Hofstattstraße gelegen. Die Herren von Böckingen waren ursprünglich Ministeriale der Grafen von Calw und stiegen dann später in den Niederadel auf. 1342 wurden die Burg und ein Großteil der Vogtei an die Stadt Heilbronn verkauft, die 1431 den gesamten Ort erwarb. Nun stand dem Ort ein Vogt vor, der vom Rat der Reichsstadt Heilbronn bestimmt wurde. Ein Rathaus wurde erstmals 1544 erwähnt. Im Deutschen Bauernkrieg wurde Böckingen insofern in die kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt, als der Böckinger Bauernanführer Jäcklein Rohrbach mit für die Weinsberger Bluttat von 1525 verantwortlich war. Als Folge davon wurde Böckingen in Brand gesetzt und man verbrannte Jäcklein Rohrbach sowie den damaligen Schultheiß bei lebendigem Leibe. 1530 wurde ausgehend von Heilbronn die Reformation in Böckingen eingeführt. 1802/03 fiel Heilbronn an Württemberg, während Böckingen zur selbstständigen Gemeinde erhoben wurde und nun zum Oberamt Heilbronn gehörte. 1827 war der Ort noch überwiegend bäuerlich geprägt, doch mit der in Heilbronn einsetzenden Industrialisierung und der dortigen Entstehung neuer Arbeitsfelder in Fabriken und Firmensitzen setzte auch in Böckingen seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein Strukturwandel ein, der zu Folge hatte, dass die Böckinger nun immer weniger in der ortseigenen Landwirtschaft tätig waren, sondern eher in der benachbarten Stadt Handwerksberufe erlernten, dort arbeiteten oder sich als Tagelöhner verdingten. Umgekehrt siedelten auch mehr und mehr Menschen von auswärts in Böckingen an, um ebenfalls in Heilbronn zu arbeiten. Demzufolge stieg die Bevölkerung zwischen 1820 und 1920 von 1100 auf 11.300 Einwohner an und wuchs somit um das Zehnfache. Der Ort wurde zunehmend zu einer Arbeiterwohngemeinde und dehnte sich immer weiter aus. Im Gegenzug verließen aber auch einige Menschen, insbesondere aus der Mittelschicht, ihre Heimat, weil sie sich dort nicht mehr heimisch fühlten. Da sich aber der Prozess der Industrialisierung allein auf die Stadt Heilbronn und nicht auf Böckingen bezog, war die Gemeinde auf finanzielle Unterstützung seitens der Stadt angewiesen, die allerdings erst 1915 gewährt wurde. Aufgrund des enormen Bevölkerungszuwachses wurde Böckingen am 4. Dezember 1919 von der Kreisregierung zur Stadt erhoben, die jedoch ihrerseits noch keine eigenen Wirtschafts- oder Industriezweige vorweisen konnte und demzufolge finanziell weiterhin von Heilbronn abhängig blieb. 1930 stellte der Gemeinderat Böckingens beim Land Württemberg den Antrag auf Eingemeindung in die Stadt Heilbronn, dem jedoch erst drei Jahre später stattgegeben wurde, denn erst am 19. Mai 1933 verfügte der Staatskommissar die Vereinigung der beiden Stadtgemeinden, die am 27. Mai 1933 durch die Aufsichtsbehörde genehmigt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde Böckingen durch Luftangriffe im September und Dezember 1944 schwer beschädigt. Hermann Waiblinger, der nach Kriegsende als Bürgermeister eingesetzt wurde, leitete nachfolgend den Wiederaufbau. Um 1970 entstanden im Nordosten Böckingens die Wohngebiete Schanz-Süd und Schanz-Nord und zudem die Gewerbegebiete Böckingen-Nord und Böckingen West.
Da Böckingen 1530 von Heilbronn aus reformiert wurde, ist der Ort protestantisch geprägt. Die evangelische Pankratiuskirche ist auf die ursprüngliche Kirche des Ortes zurückzuführen und erhielt im Wesentlichen ihre heutige Gestalt durch den Um- und Erweiterungsbau von Heinrich Dolmetsch 1900/01. Die ebenfalls evangelische Auferstehungskirche ist die erste Kirche der Nachkriegszeit. Sie wurde nach Plänen des Böckinger Architekten Gerhard Bauer erbaut und am 3. Mai 1959 eingeweiht. Die Versöhnungskirche ist die jüngste evangelische Kirche des Ortes und wurde 1996 fertiggestellt.
===== Bestandsgeschichte =====
Aufgrund eines Kirchengemeinderatsbeschlusses wurde das Pfarrarchiv am 23.11.2006 zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv nach Stuttgart abgegeben. Der gesamte Bestand war zunächst aus konservatorischen Gründen begast werden. Im Anschluss daran wurden die Archivalien von November 2007 bis November 2008 von Margot Hornischer und Irene Milkau mit größter Sorgfalt zunächst vorgeordnet. Damit wurde die Grundlage für die Verzeichnung und elektronische Erfassung durch diese beiden freien Mitarbeiterinnen geschaffen. Schließlich verpackten sie die Archivalien fachgerecht. Der Bestand umfasst 511 Bestellnummern und erstreckt sich auf 12,5 lfd. Regalmeter. Die Abschlussredaktion erfolgte 2016 durch Dr. Anette Pelizaeus.
===== Charakterisierung des Bestands =====
Die umfangreiche Überlieferung der Kirchengemeinde Böckingen gliedert sich in die Hauptgattungen Amtsbücher, Akten, Rechnungen, Drucksachen, Bild- und Tonträger und einen Anhang. Die Überlieferung enthält insgesamt 511 Bestellnummern, was nahezu 7 laufenden Regalmetern entspricht. Das älteste Dokument ist eine Transkription zum Mischbuch und wurde 1581 verfasst, während die jüngste Überlieferungsschicht das Bild-und Tonmaterial aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildet. Der Aktenbestand enthält nur vereinzelt Archivalien aus der Zeit vor 1900, so dass auf eine Unterscheidung zwischen alten Akten (Zeit vor 1900) und neuen Akten (ab 1901) verzichtet wurde und beide Abteilungen zusammengenommen wurden. Da die Aktenüberlieferung sehr kleinteilig ist, fällt auch die Gliederung sehr detailliert aus, was sicherlich auch darin begründet liegt, dass das Archiv in gänzlich ungeordnetem Zustand an das Landeskirchliche Archiv abgegeben wurde. Innerhalb des Aktenbestandes ragt die Überlieferung zum kirchlichen Leben insofern als bedeutsam heraus, als hier umfangreiches Material zu den kirchlichen Amtshandlungen, der kirchlichen Unterweisung, der Konfirmation, der kirchlichen Fürsorge, den verschiedenen kirchlichen Einrichtungen und den Pfarrberichten zu finden sind. Besonders gut dokumentiert sind dabei die kirchlichen Einrichtungen mit sechs verschiedenen Unterpunkten, so die Anstalten und Vereine, die Frauen- und Männerarbeit, die Jugendarbeit, die Kindergärten, der Krankenpflegeverein sowie die Gemeindegruppen und die Gemeindekreise. Das reiche Bildmaterial vornehmlich aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert lebendig das kirchliche Leben in jüngster Zeit, obschon auch Bildmaterial aus der Zeit der beiden Weltkriege vorhanden ist. Erwähnenswert ist hier ein kleines Wandbild mit einem Gedicht eines österreichischen Gefangenen über den 2. Weltkrieg.
Interessante Einblicke in die Kirchengeschichte des Ortes liefern einerseits die Kirchenbücher mit wertvollen familiengeschichtlich Informationen zu Familien-, Tauf-, Konfirmations- und Sterbesachen von Personen oder Familien, die bis einschließlich des dritten Viertels des 19. Jahrhunderts in Böckingen gelebt haben. Daneben gibt es auch die Pfarrberichte und die Quellen zur Ortskirchengeschichte. Erstere wurden meist von den Ortsgeistlichen selbst verfasst und dokumentieren nicht allein den reichen Bestand der Kirchengemeinde, sondern geben auch Einblicke in die gesamte Organisation der Pfarrverwaltung. Letztere sind insofern von Interesse, als sie eine wertvolle Sammlung von Zeugnissen darstellen, die entweder von den Pfarrern selbst verfasst oder gespickt sind mit Material, das der Vervollständigung der Ortskirchengeschichte dient, wie insbesondere die Materialsammlung von Hellmut Westenberger zu "Böckingen am See". Wichtige Quellen stellen darüber hinaus auch die reichhaltigen Dokumente der NS-Zeit dar, die einen Einblick über die Repressionen seitens des Regimes gegenüber der evangelischen Kirchengemeinde Böckingen und ihre Gemeindeglieder geben.
===== Weitere Quellen =====
Landeskirchliches Archiv Stuttgart - A 29, Nr. 569-574 - A 29, Nr. 1888 - A 129, Nr. 1762-1763
Hauptstaatsarchiv Stuttgart - A 206 Bü 5335 - A 208 Bü 387 - A 249 Bü 1088 (K 1) - A 281 Bü 601 - A 282 Bü 922 |