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| Signatur: | C 8 |
| Name: | Evangelisches Seminar Maulbronn |
| Laufzeit: | 1608-2012 |
| Beschreibung: | Zur Institutionengeschichte: Wie die meisten der württembergischen Männerkloster wurde das 1147 gegründete Zisterzienserkloster Maulbronn nach dem Augsburger Religionsfrieden in eine Klosterschule umgewandelt. Im Jahr 1556 wurde eine entsprechende Klosterordnung erlassen, die dann kurz darauf in der Großen württembergischen Kirchenordnung konsolidiert wurde. Die Idee der Kosterschulen bestand darin, den v.a. theologischen Nachwuchs für Württemberg auszubilden und diese Ausbildung den Landeskindern auch unabhängig vom elterlichen Einkommen zu ermöglichen; allerdings entstammten die meisten der Klosterschüler und Seminaristen den arrivierten, "ehrbaren" Familien, nicht wenige davon kamen aus Pfarrhäusern. In der Regel schloss sich an die Klosterschulen der Übertritt an das Evangelische Stift Tübingen an. Wer nach der Seminarausbildung nicht in den kirchlichen Dienst übertrat, musste die Stipendienzahlungen später (teilweise) zurückzahlen. Viele der Klosterschulen wurden im 16. Jahrhundert bereits wieder geschlossen, und auch für die verbliebenen Klosterschulen kam es im dreißigjährigen Krieg zu einer mehrjährigen Schließung. Auch Maulbronn konnte erst 1656 wieder eröffnet werden. Den Klosterschulen standen Prälaten vor, die in der Nachfolge der ehemaligen Äbte Sitz und Stimme im Landtag hatten und zudem noch pfarramtliche Aufgaben für abhängige Pfarreien. Ihnen zur Seite standen Präzeptoren und eine ganze Reihe von Personen, die in der Unterhaltung von Gebäude und Internat tätig waren: Verwalter, Klosteroffizianten, Speisemeister, Hausdiener, Klosterärzte usw. Die Schüler wurden über das sogenannte "Landexamen" für die Klosterschulen ausgewählt und lebten dort lange nach quasi-monastischen Regeln. Anfang des 19. Jahrhunderts erfuhren die Klosterschulen eine größere Reform. Die Schulen in Denkendorf, Bebenhausen und Blaubeuren wurden aufgelöst, in Schöntal gründete man eine neue Schule. 1817/18 wurden dann in Blaubeuren und Urach weitere Schulen eingerichtet. Man sprach nicht mehr von Klosterschulen, sondern von den (niederen) Seminaren. Die Prälaten wurden zu Ephoren, der von Repetenten unterstützt wurde. 1911 wurden die Seminare durch eine neue Seminarordnung modernisiert. Über die Jahrhunderte haben viele prominente Köpfe das Seminar Maulbronn besucht, so z.B. Georg Herwegh, Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin, Julius von Jan, Johannes Kepler, Justinus Kerner, Hermann Kurz oder Gustav Werner; zu den herausragenden Lehrern in Maubronn gehören u.a. Friedrich Theodor Vischer und der Neutestamentler Eberhard Nestle. Die aus dem Ende des Ersten Weltkriegs erwachsene Trennung von Kirche und Staat, die 1924 in Württemberg in Kraft trat, führten 1928 zu einer neuen Grundlage für die Seminare, die "Seminarvereinbarung". Die Seminare unterstanden von nun an der "Evangelischen Seminarstiftung", in deren Vorstand kirchliche und staatliche Vertreter sitzen. Anders als etwa das Seminar Blaubeuren blieben die Gebääude in Maulbronn in staatlichem Besitz. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sahen sich die Seminare zunehmendem staatlichen Druck ausgesetzt. So wurde der Unterricht in Hebräisch, Griechisch und dann auch Religion unmöglich gemacht; 1940 sollte dann in Maulbronn eine nationalsozialistisch geprägte "Aufbau- und Seminarschule" das Seminar ablösen, wogegen sich die Landeskirche zunächst erfolgreich juristisch wehrte. Die Aufbauschule wurde dennoch gegründet. Im Sommer 1941 beschlagnahmte der Staat dann die Seminargebäude, vorgeblich um bedürftige Soldatenkinder unterzubringen. Formal wurden die Seminare allerdings nicht aufgelöst, und die Landeskirche warb weiterhin neue Promotionen an. Diese wurden dann mit Privatunterricht, Geldsurrogatszahlungen, gemeinsamen Veranstaltungen und Rundbriefen betreut. Die Promotion 1941/1945 war selbst nie im Seminar, galt aber dennoch als Seminarpromotion. Zu den Personen, die mit der Betreuung beauftragt waren, gehört auch der Industrielle Alfred Zechnall, der in verschiedenen Bereichen kirchlicher Jugenarbeit tätig war und systematisch junge Menschen missbrauchte. Nach dem Krieg ging der Seminarbetrieb sehr bald weiter. Im Laufe der Zeit wurde allerdings deutlich, dass die Seminare aus der Zeit gefallen zu sein schienen. Die Nachfrage sank, das humanistische Profil und die kirchliche Ausrichtung wurden zunehmend in Frage gestellt. Man machte sich Gedanken um eine Seminarreform. Zu den einschneidendsten Veränderungen in der Seminargeschichte gehört die Aufnahme von Mädchen ins Seminar, 1969 zuerst in Schöntal, 1972 dann auch in Maulbronn. Die Seminare in Schöntal und Urach wurden 1975 bzw. 1977 geschlossen. Ab da waren alle Seminarist:innen in den Klassen 9 und 10 in Maulbronn und wechselten dann für die Klassen 11-13 nach Blaubeuren. Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums 2008 beendete diese Praxis. Folgende Personen waren seit Errichtung der Klosterschule Äbte / Prälaten bzw. Ephoren in Maulbronn: 1558-1567: Valentin Vannius (erster evangelischer Abt) 1567-1578: Johannes Magrius 1578-1594: Jacob Schropp 1594-1608: Wilhelm Holder 1608-1612: Felix Bidembach 1612-1614: Erasmus Grüninger 1614-1616: Christoph Binder 1616-1619: Lucas Osiander 1619-1625: Melchior Voltz 1625-1630: Johann Heinrich Wieland 1630-1633: Christoph Schaller von Sennheim (katholisch, 1. Amtszeit) 1633-1634: Ludwig Leipzig (evangelisch) 1635: Felix Gaspar (evangelisch?) 1634-1642: Christoph Schaller von Sennheim (katholisch, 2. Amtszeit) 1642-1648: Bernhardin Buchinger von Kiensheim (katholisch) 1651-1654: Heinrich Dauber (evangelisch) 1654-1656: Vakanz 1656-1669: Joseph Schlotterbeck 1669-1675: Johann Melchior Nikolai 1675-1681: Johann Ulrich Bauder 1681-1689: Johann Andreas Hochstetter 1689-1694: Johann Zeller 1695-1703: Johann Wolfgang Jäger 1703-1711: Georg Burckhard Knebel 1711-1717: Ehrenreich Weißmann 1717-1730: Johann David Schmidlin 1730-1748: Augustin Hochstetter 1748-1761: Johann Valentin Harpprecht 1761-1774: Johann Adam Lederer 1774-1785: Wilhelm Wolfgang Schmidlin 1785-1788: Johann Christoph Weinland 1788-1807: Johann Christoph Ludwig Mieg 1807-1812: Joseph Friedrich Schelling 1812-1814: Georg Heinrich Müller 1814-1823: Heinrich Wilhelm Gottfried Dapp 1824-1845: Karl Friedrich Hauber 1845-1865: Wilhelm Friedrich Ludwig von Bäumlein 1866-1879: Karl Georg Krafft (1865-1866 als Ephoratsverweser) 1879-1880: Karl Christian Planck 1880-1888 : Julius Grill 1888-1898: Ludwig August Palm 1898-1912: Gottlob Wilhelm Paulus 1912-1913: Eberhard Nestle 1913-1918: Adolf Mettler 1918-1933: Gustav Lang 1933-1934: Heinrich Alfred Desselberger (interimistisch) 1934-1946: Ernst Köstlin 1946-1963: Heinrich Fausel 1963-1980: Theodor Kiefner 1980-1983: Dietrich Elsner 1983-1993: Hans-Albrecht Luipold 1993-2003: Markus Henrich 2003-2013: Tobias Küenzlen 2013-2014: Gerhard Ruhl (interimistisch) seit 2014: Gerhard Keitel ===== Zum Bestand Das Archiv des Seminars Maulbronn wurde im Juli 2014 von Ephorus Gerhard Keitel an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart abgegeben. Es wurde im Folgenden von Johannes Grützmacher bearbeitet und verzeichnet. Der Ordnungszustand des Archivs war sehr unterschiedlich. Einige Registraturschichten waren stringent und gut geordnet und erhalten, gerade für das 20. Jahrhundert gibt es aber auch größere Lücken. Zudem wurde das Archiv wohl immer wieder und vor allem für die Jubiläumsausstellung zur Geschichte des Seminars im Jahr 1977 als Steinbruch für Ausstellungs- und Dokumentationszwecke verwendet. Dabei wurden vor allem Unterlagen zu prominenten Seminaristen aus ihrem Kontext entfernt und entsprechende Selekte gebildet. Wo dies ohne größeren Aufwand möglich war, wurden einzelne Stücke wieder in ihren Kontext zurückgeordnet. Ansonsten wurden die Selekte beibehalten. Teil der Abgabe war auch einiges Fotomaterial sowie digitales Archivgut, v.a. Fotografien, Filme und Musikaufnahmen. Diese Teilbestände sind bislang nur teilweise erschlossen. Folgende Reiseberichte wurden auf Wunsch des Ephorus in Maulbronn belassen: - Studienfahrt des Seminars Maulbronn vom 28. Juni 10. Juli 1946 - Studienfahrt des Seminars Maulbronn, Promotion 1947/49 nach Oberschwaben, 17. 27. September 1948 - Studienfahrt 1952 des Seminars Maulbronn, Promotion 1951/53 auf das ‚kalte Feld vom 23. 30. Juni 1952 - Studienfahrt des Seminars Maulbronn, Promotion 195355 in die Pfalz, 29. Juni 9. Juli 1954 - Studienfahrt des Seminars Maulbronn, Promotion 19591961 nach Trier, 16.25. Juni 1960 - Studienfahrt der Maulbronner Promotion 195557 nach Hamburg, 17. 25. Juli 1956 - Studienfahrt des Seminars Maulbronn, Promotion 1957/59 nach Augsburg, 11. 18. Juni 1958 - Unsere Studienfahrt nach Nürnberg vom 6. 13.4.1962, Bericht der Promotion 1961/63 in Maulbronn - Studienfahrtsbuch der Promotion 1963/1965 Maulbronn, 13. Juni 21. Juni / Elsaß - Studienfahrt 1966 der Promotion 1965/68 des Seminars Maulbronn nach Bamberg vom 6. 2. Juni 1966 - Studienfahrt 1967 des ev. theol. Seminar Maulbronn rund um den Vogelsberg 17. 24. September 1967 - Seminar Maulbronn, Studienfahrt 1968/70 nach Trier, 27. September 4. Oktober 1969 - Students of the Evangelisches Seminar Maulbronn, West Germany, present an English production by Dieter Edel of ANDROCLES & THE LION by George Bernard Shaw (Tour of Britain 1975, Fahrtenbuch) - Promotion 1976/77, eingetreten am 16. August 1976 in das Seminar Maulbronn, übergetreten am 8. August 1977 in das Seminar Blaubeuren In der Dauerausstellung der Staatlichen Schlösser und Gärten sind folgende Teile des ursprünglichen Seminararchivs als Dauerleihgabe zu sehen: - Monumenta Maulbronnensia - Karikaturblätter - Statuten der Alumnorum - Verpflichtungsurkunden - Klagen aus dem Speisesaal - Abtsstab Ausgesondert wurde v.a. Bibliotheksgut und Druckschriften sowie Dias ohne ersichtlichen Bezug zum Seminar und ohne eine Beschriftung, die einen Kontext ermöglicht hätte. |
| Umfang: | 20 lfd. m |
| Literaturangaben: | Hermann Ehmer: Die evangelischen Klosterschulen und Seminare in Württemberg 1556-1928, in: Hermann Ehmer / Martin Klumpp / Ulrich Ott (Hg.): Evangelische Klosterschulen und Seminare in Württemberg : Lernen – Wachsen – Leben, Stuttgart 2006, S. 11-34. Rainer Hirsch-Luipold: "Das Seminar ist ja nicht tot" – Die Zeit des Nationalsozialismus, in: Hermann Ehmer / Martin Klumpp / Ulrich Ott (Hg.): Evangelische Klosterschulen und Seminare in Württemberg : Lernen – Wachsen – Leben, Stuttgart 2006, S. 53-70. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hg.): Maulbronn. Zur 850jährigen Geschichte des Zisterzienserklosters, Stuttgart 1997. Siegfried Hermle: Brennpunkte der Geschichte der evangelischen Seminare im 20. Jahrhundert, in: Blätter für Württembergische Kirchengeschichte 110 (2010), S.273–304. |