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Signatur: C 7
Name: Evangelisches Seminar Blaubeuren
Laufzeit: 1489-1947
Beschreibung: ===== Das evangelische Seminar Blaubeuren =====

Mit der Klosterordnung von 1556 veranlasste Herzog Christoph von Württemberg die Einrichtung von Schulen in Klöstern, unter anderem auch im Kloster in Blaubeuren. Diese Schulen sollten begabten Jungen, unabhängig vom Stand und Vermögen der Familie, eine erstklassige Ausbildung ermöglichen und Ausbildungsstätten für die württembergischen Pfarrer schaffen. Bereits während des Dreißigjährigen Krieges musste die Klosterschule wieder geschlossen werden und konnte erst 1650 auf Drängen des Landtags wieder eröffnen. Während der Kriege Ludwigs XIV. erfolgte kurzfristig eine Schließung. 1705 wurde die Schule wieder eröffnet und war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Unterstufe für die Klosterschule in Bebenhausen. Unterrichtet wurde vor allem Theologie und die alten Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch, um die Bibeltexte im Original lesen zu können.
Seit 1582 schuf eine Klosterordnung mit dem Landexamen die noch heute gängigen Praxis der Auswahl der Klosterschüler durch eine zentrale Prüfung. Die Aufnahmen in die Klosterschulen bedeutete ein kostenloses Bildungsangebot. Jedoch verpflichteten sich die Klosterschüler für das Stipendium, sich in den Dienst der Kirche zu stellen. Wer im Anschluss an die Kirche nicht Theologie studierte, oder wie später auch möglich ins Lehramt ging, hatte einen Kostenersatz zu leisten.
Mit der Säkularisation des Klosterguts unter König Friedrich I. mussten auch die Klosterschulen neu aufgestellt werden. 1806 wurden sie in niedere Seminare umbenannt. Die Seminar-Vorstände erhielten nun die Bezeichnung Ephorus. Ziel war die Weiterleitung zum Stift in Tübingen als höherem Seminar. Diese Vorgehensweise ist bis heute noch üblich und wurde mit der Einrichtung der Konkursprüfung 1829 neu geregelt.
Blaubeuren wurde im Zuge der Reformen 1810 zunächst geschlossen, die Schüler in die neu gegründete Schule nach Schöntal verlegt. Bereits 1817 wurde das Seminar jedoch wieder eröffnet. Die Seminare wurden dem Kultministerium unterstellt, dort zunächst der Kultministerialabteilung für Gelehrten- und Realschulen, ab 1908 der Ministerialabteilung für die Höheren Schulen. Der Ephorus und die beiden Professoren bekamen nun zwei Repetenten zur Seite gestellt. Das waren junge, examinierte Theologen, die den Aufsichtsdienst übernahmen. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten übernahm die Ökonomieverwaltung.
Nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich die Frage nach der Zukunft der Seminare. Im März 1928 wurde dann die Übernahme der Seminarverwaltung durch die Seminarstiftung, einer von Kirche und Staat gemeinsam getragene Stiftung, geregelt.[1]
Wenige Jahre später wirkte sich die beginnende NS-Herrschaft auf die Seminarschulen aus. Eine Vielzahl der Schüler und Lehrer sympathisierte mit dem Nationalsozialismus bzw. den Deutschen Christen. Einen ersten Bruch erfuhr diese Sympathie, als sich abzeichnete, dass der württembergische Kultminister Mergenthalter den Konfessionsschulen ihre Berechtigung absprach. Zunehmend wurde das Seminar nun mit Anfeindungen durch das NS-Regime konfrontiert. 1941 nutzte Mergenthaler die Weisung des Reichserziehungsministeriums, Unterbringungsmöglichkeiten für Wehrmachtsangehörige zu schaffen, um die Seminare weiter zu beschneiden. Das Seminargebäude in Blaubeuren wurde von der Wehrmacht beschlagnahmt und eine deutsche Heimschule eingerichtet.[2] Ephorus Betzendörfer hatte sich zur Leitung der deutschen Heimschule bereiterklärt, wohl in der Hoffnung, den Unterricht der Seminaristen weiterführen zu können. Als dies nicht der Fall war, trat er schließlich von seinem Posten zurück und wechselte als einfacher Lehrer in den Staatsdienst. Die Interessen der evangelischen Seminarstiftung vor Ort übernahm der ehemalige Ephorus Gaupp, da die Gebäude auch weiterhin im Besitz der Stiftung waren.
Gaupp, der nach 1945 als unbelastet galt, erhielt schnell Zugang zum besetzten Klostergelände. Die Zerstörungen durch alliierte Soldaten waren enorm, da die Räume der Heimschule voll von nationalsozialistischen Zeugnissen waren und die Besatzer zudem Waffenverstecke vermutet hatten. Zwar wurde die Wiedereröffnung des Seminars durch die Besatzungsmächte bereits 1945 genehmigt. Erst 1946 waren die Aufräumarbeiten jedoch soweit abgeschlossen, dass die Promotion aus ihrem Interim in Kleinglattbach bei Vaihingen nach Blaubeuren zurückkehren konnte.

Als neuer Ephorus wurde Alfred Brecht eingesetzt. Weiterhin stand der humanistische Bildungskanon im Vordergrund und war der Übertritt der Seminaristen ins Tübinger Stift und ihre Verwendung als Theologen oder Lehrer erklärtes Ziel der Einrichtung. In den 1960er Jahren nahm der Zustrom zum Landexamen immer mehr ab. Die Seminare waren aber auf eine volle Auslastung angewiesen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, aber auch um den neuen Gegebenheiten in der Landeskirche gerecht zu werden, wurden ab 1969 Mädchen in den Seminaren aufgenommen. Die Einführung der gymnasialen Oberstufe zum Schuljahr 1976/77 brachte die Seminarschulen mit ihren kleinen Lehrkörpern schnell an die Grenzen des Möglichen. Zudem erforderten die neuen Vorgaben bauliche Veränderungen. Um sich für die Zukunft aufzustellen, wurden die Seminare in Urach und Schöntal geschlossen.[3] Die Klassen 9 und 10 wurden zukünftig in Maulbronn unterrichtet, die Klassen 11 bis 13 in Blaubeuren. Hier konnte den Erfordernissen der Oberstufenreform durch die Kooperation mit dem Gymnasium Blaubeuren Rechnung getragen werden. Zudem entstand Ende der 1970er Jahre ein Erweiterungsbau, um so auch die Raumkapazitäten zu erhöhen. Mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg ab dem Schuljahr 2008/2009 wurde der Ortswechsel beendet. Seither bestehen zwei eigenständige Schulen mit eigenständigen Schwerpunkten, die jeweils die Jahrgänge 9 bis 12 unterrichten.

[1] Hermann Ehmer, Die evangelischen Klosterschulen und Seminare in Württemberg 1556-1928, in: Hermann Ehmer, Martin Klumpp, Ulrich Ott (Hrsg.), Evangelische Klosterschulen und Seminare in Württemberg 1556-2006. Lernen. Wachsen. Leben, Stuttgart 2006, S. 11-34.
[2] Rainer Hirsch-Luipold, „Das Seminar ist nicht tot. Die Zeit des Nationalsozialismus, in: Hermann Ehmer, Martin Klumpp, Ulrich Ott (Hrsg.), Evangelische Klosterschulen und Seminare in Württemberg 1556-2006. Lernen. Wachsen. Leben, Stuttgart 2006, S. 53-70.
[3] Hermann Ehmer, Die Seminare nach dem Zweiten Weltkrieg. Wiederaufbau und Krise, in: Hermann Ehmer, Martin Klumpp, Ulrich Ott (Hrsg.), Evangelische Klosterschulen und Seminare in Württemberg 1556-2006. Lernen. Wachsen. Leben, Stuttgart 2006, S. 121-136.


===== Bestandsgeschichte =====

Der Bestand C 7 (Evangelisches Seminar Blaubeuren) wurde in mehreren Schritten erschlossen. Zunächst wurde der Altbestand der Klosterschule 1953 von Martin Brecht verzeichnet. Im Jahre 1978 kamen die Akten dann ans Landeskirchliche Archiv nach Stuttgart, einschließlich des Aktenbestands des Seminars bis in die 1940er-Jahre, der von Immo Eberl verzeichnet wurde.
Später wurden die Findmittel in eine Archivdatenbank überführt. Dabei wurden die Archivalien neu durchsigniert.
Im Jahr 2020 gelangten drei Bände vom Staatsarchiv Sigmaringen an das Landeskirchliche Archiv, die ursprünglich aus der Seminarbibliothek stammen. Im Frühjahr 2022 wurden die in Blaubeuren verbliebenen Aktenbestände bis in die 1990er Jahre ins Landeskirchliche Archiv überführt und verzeichnet.


===== Vorbemerkung von Martin Brecht zu Verzeichnung von 1953 =====
===== Erster Teil: Akten der Klosterschule Blaubeuren =====

In der Zeit vom 7. bis zum 18. April 1953 wurden von mir die noch vorhandenen Bestände des Archivs der ehemaligen Klosterschule Blaubeuren geordnet. Ein Repertorium war nicht vorhanden. Die meisten Schriftstücke lagen noch im Oktavformat. Wo es ohne größere Schwierigkeiten möglich war, wurden die Reste der alten Registraturordnung erhalten. Sonst habe ich mich mit dem Ordnungsplan im großen Ganzen an die heutige Registraturordnung gehalten. Auf eine nach Betreffen differenzierte Unterteilung der Schul-, Speisungs- und Landschaftsakten wurde verzichtet und dieser eine zeitliche Gruppierung vorgezogen. So wurde das Repertorium übersichtlicher.
Die Provenienz der ortsfremden Urkunden konnte nicht geklärt werden.
Der gesamte Aktenbestand umfasst etwa 3 Meter laufender Akten.


===== Vorbemerkung von Immo Eberl zur Verzeichnung von 1978 =====
===== Zweiter Teil: Akten des Evangelisch-theologischen Seminars Blaubeuren 1817-1940 =====

Eine Überprüfung der Archiv- bzw. Registraturbestände des Seminars durch den Unterzeichnenden ergaben, daß neben einem Archivbestand der bis 1810 bestehenden Klosterschule Blaubeuren, der 1953 von Martin Brecht verzeichnet wurde, eine umfangreiche Altregistratur bestand, die in der Verwaltung des Seminars nicht mehr benötigt wurde und bei der beginnenden Renovierung der Räume desselben etwa ab 1975 unnötigen Platz beanspruchte, zudem auch für die Forschung als unerschlossener Archivbestand in Blaubeuren nicht zugängig war.
Der Direktor des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart, Dr.Gerhard Schäfer, konnte daher von der Evang. Seminarstiftung die Genehmigung der Überführung der Archiv- und Altregistraturbestände in das Landeskirchliche Archiv Stuttgart veranlassen.
Nach der Überführung der Bestände nach Stuttgart nahm der Unterzeichnende einerseits eine Überprüfung der von Martin Brecht verzeichneten Bestände der Klosterschule Blaubeuren, die geringfügig um einige noch in der Altregistratur des Seminars lagernde Akten erweitert wurden, andererseits eine Neuverzeichnung der Bestände des Seminars vor. Es muß dabei deutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich bei dieser Verzeichnung um eine Arbeit handelt, die in kurzer Zeit abgewickelt werden mußte, damit die Bestände baldmöglichst den Benützern vorgelegt werden konnten. Der archivalisch geschulte Betrachter des Verzeichnisses mag daher gegen die vorliegende Verzeichnung Einwände geltend machen können, doch hat sich der Unterzeichnende an die Einteilung der einzelnen Faszikel in der Altregistratur des Seminars gehalten und im überwiegenden Maße auch deren Bezeichnungen übernommen. Die Akten wurden ebenfalls in ihren alten Registraturumschlägen belassen.
Der Bestand setzt sich aus zwei Teilen zusammen: erstens aus den Beständen der Ephoratsregistratur und zweitens aus den Beständen der Ökonomieverwaltung. Der ursprüngliche Plan der Verzeichnung des Bestandes hintereinander nach den ehemaligen Registraturplänen mußte aufgegeben werden, weil sich daraus für den Benützer ein unübersichtliches Repertorium ergeben hätte, das in weit auseinanderliegenden Büscheln Akten zum gleichen Gegenstand aufgewiesen hätte. Daher wurden die Akten nach ihrem Inhalt zusammengefaßt und verzeichnet, wobei jedoch niemals ehemalige Akten der Ephoratsregistratur und der Ökonomieverwaltung zusammengefaßt wurden, auch wenn sie im gleichen Zeitraum denselben Gegenstand behandelten.


===== Vorbemerkungen von Steffen Kaiser zur Verzeichnung von 2022 =====
===== Dritter Teil: Akten des Evangelisch-theologischen Seminars Blaubeuren, 20. Jahrhundert =====

Im Frühjahr 2022 wurden die noch in Blaubeuren vorhandenen Bestände bis ca. 1990 eingeholt. Der Bestand umfasste zu Beginn circa 20 lfd. m. Akten und Bücher, unsortiert und verpackt in Kartons. Eine Ordnung nach Aktenplan oder Registratursignaturen war nur teilweise anhand der Signaturen auf den Aktendeckeln erkennbar und wurde bei Altsignaturen in Acta Pro vermerkt. Der Bestand wurde vollständig neu geordnet und klassifiziert. Der umfangreiche Bücherbestand wurde an die Zentralbibliothek der evangelischen Landeskirche übergeben.

Der Bestand umfasst die Zeit zwischen 1821 und 2009, mit einem Schwerpunkt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den größten Umfang nehmen die Unterrichtstagebücher ein, die von 1821 bis 1857 geschlossen vorhanden sind, danach ab 1912 bis 2006 beinahe lückenlos. Daneben finden sich umfangreiche Prüfungsunterlagen zu Reifeprüfungen und Landexamen. Die jährlichen Klausuren wurden bis 1914 verzeichnet, die nachfolgenden kassiert.
Des Weiteren sind Unterlagen zur Unterrichtsorganisation, dem Lehr- und Wirtschaftspersonal sowie den Ephoren vorhanden. Einen großen Umfang nehmen auch die Bauakten ein. Zu den Seminaristen sind Schülerkarteien und Jahrgangslisten vorhanden, daneben Schriftstücke aus dem Seminaralltag. Die Akten der Seminarverwaltung beschränken sich vor allem auf organisatorische Bereiche, wobei die Auflösung der Schule 1940/41 und die anschließende Einrichtung der deutschen Heimschule im Seminargebäude einen Schwerpunkt bildet.

Im Bestand befanden sich knapp 0,5 lfd. m Akten aus den Seminaren Maulbronn, Schöntal und Urach. Diese wurden aus dem Bestand genommen und in den jeweiligen Beständen C 8, C 9 und C 10 integriert.

Nach der Verzeichnung umfasst der Bestand nun 128 zusätzliche Verzeichnungseinheiten mit einem Umfang von 6,0 lfd. Metern. Die Personal- und Schülerakten wurden mit einer Sperrfrist von 120 Jahren versehen.

Das vorliegende Archivinventar wurde im Februar 2022 von Steffen Kaiser erstellt.
Umfang: 17 lfd. m