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Signatur: | D 42 |
Name: | Nachlass Otto Gruber (1896-1970) |
Laufzeit: | 1887-1969 |
Beschreibung: | Biografische Informationen Otto Friedrich Gruber wurde am 13. März 1896 in Winnenden als Sohn des Uhrmachers Friedrich Gruber und dessen Frau Christiane, geb. Seiz, geboren. Bis 1911 besuchte er die Lateinschule, nach dem bestandenen Landexamen 1911-1913 das evangelisch-theologische Seminar Maulbronn und 1913-1915 das evangelisch-theologische Seminar Blaubeuren, zusammen mit für den Kirchenkampf wichtig gewordenen Männern wie Julius von Jan und Otto Mörike. Vielen Angehörigen der Promotion 1911/1915 blieb Gruber zeitlebens verbunden, die Wege der Kompromotionalen kreuzten sich häufig. 1914 meldete sich Gruber freiwillig zum Militär. 1915 wurde er eingezogen und 1917 verwundet. Einem Lazarettaufenthalt im "Königlichen Genesungsheim Altes Schloss" schloss sich ein erneuter Einsatz im Feld an, der durch eine schwere Verwundung und die Gefangennahme im August 1918 beendet wurde. Das Kriegsende erlebte Gruber in französischen Lazaretten und Gefangenenlagern, aus denen er erst im Februar 1920 entlassen wurde. Nach eigener Aussage war es die Zeit der Gefangenschaft, in der Gruber beschloss, nicht das väterliche Uhrmacher-Handwerk zu erlernen, sondern Theologie zu studieren. In den Jahren 1920 bis 1923 studierte Gruber in Tübingen - zum größten Teil im Evangelischen Stift - Theologie, 1921 ging er für ein Semester nach Marburg. Seiner Ordination im September 1923 folgten unständige Stellen als Stadtvikar (Katechet) in Oberesslingen (September 1923-Juli 1924, August 1924-April 1925), als Vikar in Gmünd (Juli-August 1924), nach der Zweiten Dienstprüfung Stellen als Pfarrverweser in Esslingen-Zell (April-August 1925), in Grüntal (August-Oktober 1925) und als Stadtvikar und Katechet in Stuttgart-Cannstatt (ab Oktober 1925). Nach seiner Heirat mit Selma Heimerdinger (7. Oktober 1895-8. November 1975), der Tochter eines Missionskaufmanns und Schwester eines späteren Pfarrers, wurde Gruber im Herbst 1926 auf seine erste ständige Stelle in Tailfingen und Nebringen (Dekanat Herrenberg) versetzt. In Tailfingen und Nebringen sah sich Gruber ab 1933 immer mehr in der Konfrontation mit den Vertretern des Nationalsozialismus vor Ort und in seiner Gemeinde. In der "Reichssturmfahne" erschien 1936 ein nationalsozialistischer Hetzartikel gegen Gruber, gegen den er sich kaum zu wehren wusste. Gruber war sich der Gefahr nationalsozialistischer Ideologie für Religion und Kirche von Anfang an bewusst - darauf deutet unter anderem die Art der Artikel hin, die er aus Zeitungen ausschnitt und aufbewahrte. Seit 1933 war Gruber Vertrauensmann der Bekennenden Kirche im Kirchenbezirk Herrenberg. Im September 1936 wurde Gruber auf die zweite Stadtpfarrstelle in Marbach am Neckar berufen. Hier wurde er noch mehr mit dem Kirchenkampf konfrontiert. Marbach galt als eine Hochburg der "Deutschen Christen", die von der Kirchenleitung erwarteten, dass bei der Besetzung der Stelle einer der ihren zum Zuge käme, zumal der erste Stadtpfarrer und Dekan, Heinrich Pfisterer, ein entschiedener Gegner der "Deutschen Christen" war. Dieser wiederum bat die Kirchenleitung um einen Mann, "der den hier zustellenden [!] Anforderungen gewachsen und bereit ist, einen nicht leichten Anfang auf sich zu nehmen um der Kirche willen [...] - ein[en] Geistliche[n], der mit klarer theologischer Begründung auf der Bekenntnisseite steht, das Anliegen der D.C. zu würdigen und zu beurteilen versteht, volkstümlich predigen kann, zum Umgang mit der Bevölkerung und zur Seelsorge geeignet ist und es besonders auch mit der Jugend kann, dabei im Gemeindedienst und in der Organisation der bekennenden Gemeinde mir an die Hand geht" (so in: Landeskirchliches Archiv, Bestand A 129, Stellenakte Marbach II, Qu. 201). Mit der Berufung Grubers wollte man den "Deutschen Christen" offenbar etwas entgegensetzen, ohne die Situation zu eskalieren. Gruber musste sich dementsprechend auch erst in einer mehrwöchigen Probezeit bewähren. Es gelang ihm wohl auch einigermaßen, die Situation in der Gemeinde, die er nach dem Weggang Pfisterers zum Lutherischen Rat nach Berlin eigenverantwortlich leitete, zu entschärfen. Dabei kam ihm auch die Spaltung der "Deutschen Christen" entgegen. Dennoch hatten sich die Marbacher Pfarrer ständig mit Schikanen und Beschränkungen von Seiten des Staats, der Partei und der HJ auseinander zu setzen. Im Januar 1940 wurde Otto Gruber als Kriegspfarrer einberufen und an die Westfront versetzt, wo er als Lazarettpfarrer und Truppenpfarrer tätig war und, wie er sich beklagte, riesige Gebiete zu betreuen hatte. Beim Fall von Cherbourg im Juni 1944 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft. Im Kriegsgefangenen-Lager Nr. 1 in Grizedale Hall und ab Januar 1946 im "Generalslager" Nr. 11 in Island Farm arbeitete Gruber als Lagerpfarrer. Dabei hatte er vor allem mit hohen Offizieren, Generälen und Admirälen, zu tun. Er war unter den Gefangenen offenbar sehr beliebt, wie die vielen Dankschreiben bezeugen, die Gruber später erhielt. Er selbst hob immer wieder das große Interesse hervor, das seinen Gottesdiensten im Lager entgegengebracht wurde. Mit zunehmender Dauer seiner Gefangenschaft litt Grubers Gesundheit. In schlechtem Zustand wurde er erst im November 1946 entlassen, obwohl seine Gemeinde zuvor schon einige Anstrengungen zu seiner Entlassung unternommen hatte. Seinen Dienst in Marbach konnte er erst im April 1947 wieder antreten. Nachdem sich Heinrich Pfisterer 1947 aus gesundheitlichen Gründen pensionieren ließ, wurde Otto Gruber als sein Wunschkandidat im Juni 1947 sein Nachfolger als Stadtpfarrer und Dekan in Marbach. Die umfangreichen Sammlungen weisen Gruber als einen Menschen aus, der sich für Geschichte, Politik und für Zeitfragen, für Kunst und Musik sehr interessiert und aufgeschlossen zeigte. Als Pfarrer und als Dekan zeichnete Gruber sich - in den Urteilen seiner Zeitgenossen - durch sein hohes Engagement im Religionsunterricht (er berichtete später, er habe zunächst Lehrer werden wollen) und in der Seelsorge aus und durch seine freundliche, ausgleichende, wenn auch manchmal aufbrausende Art. Unter seine Leitung fiel der Umbau der Marbacher Stadtkirche und der Alexanderkirche. Spannungen gab es immer wieder mit den Inhabern der zweiten Pfarrstelle. Seit 1952 litt Gruber unter Diabetes, 1958 erlitt er einen Herzinfarkt. Angesichts seines schlechten Gesundheitszustands ließ sich Gruber im Herbst 1960 in den Ruhestand versetzen und zog nach Erdmannhausen. 1968 kehrte er wieder nach Marbach zurück. Otto Gruber starb am 11. Januar 1970 in Marbach. Zur Biografie Grubers gibt es so gut wie keine publizierten Quellen. Im vorliegenden Nachlass sind aus biografischer Sicht vor allem seine autobiografischen Skizzen (Bestellnummern 109, hier zum Ersten Weltkrieg, und 36) sowie die Zeitungsartikel zu seinem 60. Geburtstag und der Pensionierung relevant (Bestellnummern 167 und 51). Darüber hinaus finden sich im Landeskirchlichen Archiv die Personalakte Grubers (Landeskirchliches Archiv, Bestand A 227), die Stellenakten von Marbach und Tailfingen sowie die Akten der dortigen Kirchenvisitationen (Landeskirchliches Archiv, Bestand A 129). Der Bestand des Dekanatamts Marbach (Landeskirchliches Archiv) wird derzeit erschlossen. Die "Marbacher Zeitung" berichtete in ihrer Ausgabe vom 1. Juni 2004 vom vorliegenden Nachlass. Auf der Internet-Seite http://www.islandfarm.fsnet.co.uk/Birthday%20Card.htm (abgerufen am 22.11.2004) ist eine Geburtstagskarte aus dem Kriegsgefangenenlager an Gruber abgebildet. --- Bestandsgeschichte Der Nachlass Otto Grubers kam über seinen angeheirateten Neffen Günter Heimerdinger an den Gastwirt Eberhard Hubrig. Dieser übergab unter Vermittlung des Marbacher Dekans Otto Ziegler den Nachlass im Mai 2004 dem Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart. Der Bestand wurde im November 2004 von Archivreferendar Johannes Grützmacher im Rahmen eines Archivpraktikums unter Anleitung von Kirchenarchivamtmann Michael Bing geordnet, verzeichnet und verpackt. Der Nachlass erreichte das Landeskirchliche Archiv in einem relativ ungeordneten Zustand. Eine vom Bestandsbildner beabsichtigte Vorordnung war nur in Ansätzen zu erkennen. Dort, wo eine Vorordnung erkennbar war, wurde sie möglichst erhalten und - etwa bei den Sammlungen - behutsam ergänzt. Deshalb und weil sich die enthaltenen Dokumente nicht eindeutig und befriedigend nach ihrem Genre ordnen ließen, wurde der Bestand in eine sachthematische Ordnung gebracht. Die im Bestand erhaltenen umfangreichen Sammlungen bilden jedoch eine eigene Klassifikationsgruppe. Einzelne Stücke aus dem Nachlass waren vom Vorbesitzer herausgelöst und auf Pappen aufgezogen worden. Diese Stücke wurden restauriert und, soweit erkennbar, in den jeweiligen Kontext eingeordnet. Die geringe innere Ordnung des Bestandes machte eine relativ kleinteilige Verzeichnung möglich und nötig. Der gängigen Praxis im Landeskirchlichen Archiv entsprechend wurden auch Indexbegriffe aufgenommen, die in der Titelaufnahme nicht auftauchen. Der Bestand wurde fast vollständig übernommen. Kassiert wurden neben Verpackungsmaterialien vor allem eine Reihe von Zetteln ohne rekonstruierbaren Aussagewert sowie einige Dubletten. Einige Drucksachen, die im Anschluss an dieses Vorwort aufgeführt sind, wurden an die Bibliothek des Oberkirchenrats abgegeben. Eine kleinere Sammlung von Negativen, Glasplattennegativen und Abzügen fotografischer Innen- und Außenaufnahmen Marbacher Kirchen wurde in die Fotosammlung des Landeskirchlichen Archivs integriert. Im Dezember 2015 wurde ein Nachtrag zu dem Bestand (v.a. Bestellnummer 169ff.) eingearbeitet. --- Charakter des Bestands Der Nachlass Otto Grubers besteht zu einem großen Teil aus vermischten Dokumenten unterschiedlicher Form und verschiedenen Inhalts. Charakteristisch für den Nachlass ist mithin seine Kleinteiligkeit. Er hat eher schlaglichtartigen als systematischen Charakter. Unterlagen privater und dienstlicher Provenienz lassen sich nur bedingt trennen. Größere Konvolute oder umfangreichere Sachakten ließen sich nur in wenigen Fällen bilden. Dennoch ist der Nachlass Gruber in mehrerer Hinsicht ein interessanter und herausragender Bestand. Zum einen ergeben seine am ehesten vollständigen und systematischen Teile das theologische Profil eines Vertreters seiner Generation: Umfangreiche Sammlungen von Mitschriften aus dem Studium, zahlreiche theologische Notizen und Vorträge sowie schließlich eine relativ vollständige Sammlung der Predigten Grubers von 1943 bis 1961 spiegeln seinen theologischen Werdegang recht gut wider. Einen zweiten Schwerpunkt des vorliegenden Nachlasses bilden die Dokumente, die vom Kirchenkampf und der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Marbach zeugen, vor allem in den Jahren 1936-1937. Die Überlieferung ist hier zwar sporadisch, stellt aber eine gute Ergänzung zu anderen Beständen dar, etwa der Personalakte von Heinrich Pfisterer (Landeskirchliches Archiv, Bestand A 127). Eine dritte Besonderheit des Bestandes ist die Korrespondenz mit vielen Bekannten aus Krieg und Gefangenschaft vor allem aus den ersten zehn Nachkriegsjahren. Ein nicht geringer Teil der militärischen Elite der Wehrmacht - Heinrici, von Rundstedt, Heim, Brinkmann, Eberbach, Herff, Meltzer, Schack, Schlieben, Schimpf - findet sich unter den Korrespondenzpartnern Grubers. Insgesamt gibt der Bestand einen guten Einblick in die Biografie einer nicht unbedeutenden Figur der württembergischen Kirchengeschichte und in ein spezifisches Milieu von ausgeprägtem evangelischem Selbstbewusstsein, das national-konservativ und militärischen Dingen zugewandt war, sich aber gleichzeitig als wach und mutig gegenüber totalitärer Bedrohung erwiesen hat. --- Abgegebene Publikationen Folgende Publikationen wurden an die Landeskirchliche Zentralbibliothek abgegeben: - Bassler, E.: Führer durch das Kloster Maulbronn, 2. Aufl., Maulbronn o.J. (mit Anmerkungen Grubers) - Das Recht auf die Heimat als völkerrechtlicher Tatbestand, Sonderdruck aus: Vertreibung, Zuflucht, Heimat. Abhandlungen zu Flüchtlingsfragen, Band 3, Wien/Stuttgart 1964 . Mit Begleitschreiben. - Der Brunnen der Weisheit. Worte aus Jesus Sirach und der Weisheit Salomo, Wuppertal-Barmen 1958. - Die Heimat grüßt ..., Berlin 1935. (Christliche Handreichung für Soldaten) - Du mein Deutschland. Heimatbilder deutscher Künstler ausgewählt aus Bildern des Kalenders "Kunst und Leben". Deutsche Gedichte, Berlin 1916. - Hesse, J.: Die Bibel als Kriegsbuch, Stuttgart 1916. - König, Gustav; Koch, Hans, Bilder aus Luthers Leben, Leipzig 1907. - Lang, Gustav: Maulbronn. Führer durch das Kloster, Brackenheim 1950. - Lerle, Ernst: Eine Macht auf dem Haupte? Zur Auslegung von 1. Kor. 11,10, Uelzen 1920. (mit Anmerkungen Grubers) - Luckenbach, H. (Hg.): Kunst und Geschichte. Große Ausgabe, 2 Bände, München/Berlin 1910-1912. - Mack, Konrad: Rudolf Schäfer. Ein deutscher Maler der Gegenwart, 3. Aufl., Leipzig/Hamburg 1926. - Neues Testament und Psalmen nach der Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart o.D. In einzelnen Heften im Schuber, außerdem zusätzlich: Kompilation der Passionsgeschichte aus den Evangelien. - Neumann, Paul: Flugzeuge, Bielefeld/Leipzig o.J. (Volksbücher der Technik) (mit beiliegendem Zeitungsartikel zur Luftfahrt) - Neumann, Paul: Luftschiffe, Bielefeld/Leipzig o.J. (Volksbücher der Technik) (mit beiliegenden Artikeln zu Luftschifffahrt) - Römer, Friedrich: Kriegsandachten für das christliche Haus, Stuttgart 1939. - Schur, Ernst: Alfred Rethe, Bielefeld/Leipzig 1911. (Volksbücher der Kunst) - Wildberger, Hans: Die Handschriftenfunde beim Toten Meer und ihre Bedeutung für die Erforschung der Heiligen Schrift, Stuttgart 1956 (=Calwer Hefte ; 5). - Zwischen Maas und Mosel. Armee-Abteilung von Strantz, o.O. o.J. (1914-18), mit beiliegenden Bildern |
Umfang: | 2 lfd. m, 205 Verzeichnungseinheiten |
Verweis: | Zugang 2004-3 |