Geschichte der Samariterstiftung
Die Samariterstiftung ist ein Zusammenschluss zweier Vorgängerinstitutionen, der Samariterstiftung Stuttgart und der Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen.
Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen
Die Fürsorgeheime haben ihren Ursprung in Stuttgart, wo sich Mitglieder des Magdalenen-Vereins um Mädchen bzw. junge Frauen kümmerten, denen der soziale Absturz drohte. Man suchte nach einem Heimgebäude, das 1869 in Leonberg gekauft werden konnte und nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 bezogen wurde. Ab 1880 wurden die Mädchen im Magdalenium, wie das Haus genannt wurde, von Stuttgarter Diakonissinnen betreut. Das Haus samt Wirtschaft wuchs, der Bedarf an "Mädchenrettungsanstalten" nahm zu, so dass man ab 1900 auf der Suche nach einer weiteren Unterkunft in Oberensingen bei Nürtingen fündig wurde. 1903 zog man in das Obere Schloss, das Schlößle, womit die Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen entstanden waren. Den Mädchen vor Ort wurde, neben der oft rettenden Unterkunft einschließlich Verpflegung, Beschäftigung im Bereich der Landwirtschaft, beim Nähen und in der Wäscherei angeboten, dadurch erzielte der Eigenversorgungsbetrieb teilweise zusätzliche Einnahmen. Die christliche Erziehung der Pfleglinge stand zudem ebenfalls im Vordergrund. Neben den Heimleiterinnen erhielten die Fürsorgeheime einen Verwaltungsrat (zu Beginn Komitee genannt), der die Belange der Heimstätten organisierte und nach außen vertrat. Die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges zerstörte die aufgebauten Besitzungen und Strukturen: das Leonberger Heim (mittlerweile Margaretenheim genannt) wurde beschlagnahmt, so dass alle Bewohner nach Oberensingen ins Friederikenheim flüchten mussten; im März 1945 bekam das Margaretenheim einen Bombentreffer; zusätzlich wurden die Mädchen im Jägerschloss in Neuffen untergebracht. Nach dem Ende des Krieges und der lang herausgezögerten Rückgabe des Heimgebäudes in Leonberg konnten im Winter 1946/47 einige Mädchen ins Margaretenheim zurückkehren. Nach der Währungsreform konnten beide Mädchenheime wieder ganz in Stand gesetzt werden - der Bedarf an Heimplätzen war größer denn je. Auf den Ländereien des Margaretenheims in Leonberg war im Krieg ein KZ entstanden. Nach langen Auseinandersetzungen mit den Behörden, wurde den Fürsorgeheimen der Rückkauf gestattet, allerdings mit der Festlegung, dass dort ein Altenheim entstehe. Nach und nach wurden die ehemaligen Steinbaracken in entsprechende Wohnanlagen für das Altenheim umgebaut, bis 1956 hatte man für ca. 300 alte Menschen Unterkunft geschaffen. Ab 1953/54 wurde auch in Oberensingen die Altenhilfe vorangetrieben: mit dem Bau des Dr. Vöhringer-Heims, dessen Namenspatron Dr. Gottlieb Vöhringer kurz nach der Heimeröffnung 1955 starb, wurde außerdem erstmals der Altenpflegebereich bei den Fürsorgeheimen eröffnet. Der Nachfolger des Verwaltungsratsvorsitzenden Dr. Vöhringer wurde der Oberkirchenrat Dr. Rudolf Weeber, der erste Geschäftsführer der Fürsorgeheime, gleichzeitig wurde Gerhard Schmücker Leiter des Dr. Vöhringer-Heims. 1956 kaufte man bei der Gemeinde Eichelberg/Heilbronn den Gutshof Friedrichshof, wo ab 1959 ein weiteres Mädchenheim und ab 1963 ein weiteres Altenpflegeheim errichtet wurde. Ab 1960 mussten die Einrichtungen der Fürsorgeheime allerdings ohne die Stuttgarter Diakonissinnen auskommen, man beschäftigte nun v.a. Diakone als Heimleiter und geschultes Pflegepersonal. Um auch eigenen Berufsnachwuchs zu fördern, begann man ab 1961 eine Altenpflegeschule zu installieren. Ab 1962 konnte eine Zentralverwaltung in Nürtingen eingerichtet werden. 1963 verloren die Fürsorgeheime ihre Ursprungsstätte: das Margaretenheim in Leonberg schloss seine Pforten. Nicht nur an den bestehenden Einrichtungen wurde dank des Verkaufserlös des Margaretenheims ununterbrochen gebaut, auch der Bau einer Wohnanlage für das Betreute Wohnen 1966 in Leonberg und die Errichtung des Alten- und Pflegeheims in Tübingen, in dem auch die Altenpflegeschule genügend Platz für die stetig wachsenden Kurse fand, sind Zeichen der Unternehmensexpansion. Der Schwerpunkt der Arbeit verschob sich zusehends von der Kinderbetreuung hin zur Altenfürsorge, so dass man 1975 der besseren Leistungsfähigkeit wegen mit der Samariterstiftung Stuttgart fusionierte.
Samariterstiftung Stuttgart
Initiator der Samariterstiftung war der Kaufmann Johann Georg Vöhringer, der vom alljährlichen Strom behinderter und verkrüppelter Menschen zum Volksfest "Cannstatter Wasen" ergriffen war und helfen wollte. Mit 14 weiteren Gleichgesinnten, unter ihnen der Stuttgarter Stiftsprediger Richard Lauxmann, gründete er 1885 den Samariterverein. Durch den publizistischen Wegbereiter Lauxmann konnten schnell Spenden gesammelt werden und auch die Unterkunftsfrage wurde vorerst geklärt. Zusammen mit der Dienstbotenheimat Fellbach bezog man das Stammheimer Schloss, wo Diakonissinnen die Bedürftigen pflegten. Aus Platzgründen suchte man schnell eine weitere Wohnstätte, die man ab 1888 auf der Burg Reichenberg bei Backnang fand und mit den zu pflegenden Männern dorthin umzog. In Stammheim wurde das Platzproblem dennoch weiter akut, so dass man auch für die Frauen eine Bleibe suchte. Erneut fand man ein günstiges Schloss: 1904 siedelten die pflegebedürftigen Frauen nach Obersontheim über. Das Vereinsziel geistig und körperlich behinderten Menschen ein würdiges Leben samt Obdach zu schenken war erreicht, der Verein wandelte sich zudem 1902 in eine Stiftung um und hieß von nun Samariterstiftung Stuttgart. Ein Verwaltungsrat regelte die Anliegen der Stiftung und dessen Vorsitzender agierte als Präsentant dieser Arbeit. Im Zuge der steigenden Nachfrage nach Unterbringungsplätzen und um einem kostspieligen Umbau der Burg Reichenberg aus dem Weg zu gehen, sah man sich ab 1925 wiederholt nach einer Unterkunft um. Das ehemalige Jagdschloss der Württemberger Grafeneck entsprach den Vorstellungen der Stiftung, so dass man 1929 dort mit den männlichen Pfleglingen einzog. Doch der Frieden auf Schloss Grafeneck hielt nicht lange: 1939 wurde das Schloss von den Nationalsozialisten zwangsgeräumt, der Heimleiter Eduard Frank konnte mit den Heimbewohnern fliehen, während in der auf dem Schlossgelände errichteten Tötungsanstalt mehr als 10 500 Menschen den Tod fanden. 1945/46 konnte die Samariterstiftung das Schloss wieder übernehmen und leistet heute mit der Gedenkstätte in Grafeneck seinen Beitrag zur Aufarbeitung dieser Zeit. 1966 und 1968 vergrößerte die Samariterstiftung die Anzahl ihrer Heime: mit dem "Haus am Sohl" in Neresheim, das als Alten- und Behindertenheim angegliedert wurde, und dem "Haus am Bühl" in Zuffenhausen, wo man von der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart das Altenheim und Altenpflegeheim übernahm. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Bedürftigen und somit die zu erfüllende Arbeit weiter, womit auch für die Samariterstiftung Stuttgart die Fusion mit den Fürsorgeheimen Leonberg-Oberensingen vorteilhaft war. Zum 1. Januar 1975 entstand unter der maßgeblichen Beteiligung von Dr. Karl Dummler, der jeweils Vorsitzender des Verwaltungsrates der fusionierten Einrichtungen war, die Samariterstiftung mit Sitz in Nürtingen-Oberensingen. Ab 1976 wurden die beiden Verwaltungen zusammengelegt, das zwischenmenschliche Zusammenwachsen vollzog sich in den folgenden Jahren ebenso.
---
Bestandsgeschichte
Im August 2003 wurde von Frau Dr. Elisabeth Timm eine Archivprüfung im Auftrag der Samariterstiftung durchgeführt, die eine dringende Beschäftigung mit dem Material hervorhob. Ein Gesamtüberblick über das eventuell vorhandene Material war ohne weiteres nicht möglich: vermutlich wurde bei der Fusion 1975 Archivgut vernichtet, ein Hochwasser 1978 in Nürtingen zerstörte darüber hinaus weiteres Schriftgut, zudem führen die verschiedenen Abteilungen der Hauptverwaltung eigene Registraturen. Die Samariterstiftung entschied sich, ihr Archiv als Depositum an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart abzugeben, um das Archivgut als Einheit besser nutzen zu können. Hierfür wurde der Überlieferungsschnitt mit 1975 bei dem Fusionsdatum festgelegt. Im Herbst 2005 wurde dafür eingängig das Material in der Hauptverwaltung Nürtingen geprüft, die verschiedenen Archivstandorte im Haus aufgesucht. Teilweise ließ sich mit einem Blick das Material vor 1975 finden, teilweise war ein größerer Suchaufwand mit dem Auffinden verbunden. Die Unterlagen der mittlerweile aufgegebenen Einrichtungen wie Friedrichshof wurden komplett übernommen, d.h. die Überlieferung reicht dann teilweise bis in die 1990er Jahre. Außer zwei Einheiten sind vom Margaretenheim in Leonberg keine weiteren Unterlagen erhalten geblieben. Circa 1500 Foto- und Filmeinheiten wurden übernommen, wobei hier per se kein einheitlicher Schnitt 1975 hergestellt werden konnte. Die Überlieferung der Samariterstiftung bietet wegen der schon genannten Gründe kein geschlossenes, vollständiges Archiv. Der historische Wert des Bestandes ist jedoch aufgrund der Gründungszeit im 19. Jahrhundert der Vorgängerinstitutionen der Stiftung als hoch einzuschätzen. Denn die Ursprungseinrichtungen der Samariterstiftung übernahmen für eine diakonische Einrichtung in Württemberg oft eine Pionierrolle: Behindertenheime im 19. Jahrhundert, Altenpflegeheime oder die Altenpflegeschule sind dafür Indizien. Gleichwohl können konkrete Erneuerungen oder Veränderungen wegen der fehlenden Archivalien teils nur anhand der Jahresberichte bzw. der bereits erschienenen Veröffentlichungen nachvollzogen werden. Der Bestand bildet neben dem Verwaltungshandeln (Verwaltungsratsprotokolle) die Arbeit an den einzelnen Einrichtungen ab (Heimleiterkonferenz). Die Tendenz des Rückzugs aus der Kinder- und Jugendbetreuung lässt sich z.B. ebenso nachvollziehen wie der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Selbstversorgung; wo man anfangs Wiesen, Felder und Vieh besaß, blieb vielerorts nur die eigene Hausküche für die Mahlzeitenversorgung. Das reiche Fotomaterial bietet den Einblick in das Wirken an den Einrichtungen vor Ort. Die Unterlagen des Baureferats geben Auskunft über die zahlreichen getätigten Bau- und Renovierungsarbeiten. Die Arbeit der Samariterstiftung ist also nachvollziehbar, allerdings bleiben Entscheidungsprozesse oft außen vor. In Verbindung mit den Zentralbeständen des Landeskirchlichen Archivs, dem Bestand des Diakonischen Werks in Württemberg, welcher sich ebenfalls im Landeskirchlichen Archiv befindet, sowie einige Bestände anderer Diakonischer Einrichtungen können Forschungen am Bestand der Samariterstiftung abgerundet werden.
Teilweise wurde kontaminiertes Material zum Begasen bzw. bei starker Beschädigung zum Restaurator gegeben. Die Überlieferung des Friederikenheims, die im Keller des Schlössle untergebracht war, musste ebenfalls aufgrund von Schimmelbefall gänzlich begast werden. Im Laufe der Jahre 2006 und 2007 konnten alle älteren Einrichtungen besucht und deren Archivgut nach Stuttgart verbracht werden. Im Frühjahr 2006 begann die archivische Erschließung des Materials durch Maxi Sophie Eichhorn mit Hilfe des Verzeichnungsprogramms Faust 3. Hierbei wurde als Bestandsprovenienz neben der Samariterstiftung immer die einzelne Einrichtung, aus der Hauptverwaltung teils die einzelne Abteilung, angegeben. Teilweise wurden Akten aufgrund der allgemeinen archivischen Schutzfristen oder aber aus datenschutzrechtlichen Gründen mit einer Sperrfrist versehen. Das Bibliotheksgut, v.a. Jahresberichte, wurde der Zentralbibliothek des Oberkirchenrats zugeführt; das Fotomaterial wurde separiert und in ein Fotomagazin verbracht. Vorgefundene Filmrollen wurden an das Haus des Dokumentarfilms zur Sicherung abgegeben. |
LKAS, A 126: Nr. 2026, 2524, 2525 LKAS, A 129: Nr. 4, 39 LKAS: L 1 LA BW, HStAS, E 14: Bü. 1382 LA BW, StAL, E 191: Bü. 3564, 4360, 4602; EL 20/5I, Bü. 517 Gedenkstätte Grafeneck Antonie Kraut: D. Dr. Gotthilf Vöhringer - ein Leben für die Wohlfahrtspflege, Stuttgart 1977. Im goldenen Glanz des 50jährigen Jubiläums: Erlebtes in Stammheim, Reichenberg, Obersontheim und Grafeneck, hrsg. von Samariterstiftung Stuttgart [1885 - 1935]. Fünfzig Jahre Oberensingen: Zufluchtshaus, Fürsorgeheim, Friederikenheim;1903-1953, Hrsg. Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen, Reutlingen 1953. Von einem Versuch 100 Jahre lang alten und jungen Menschen zu helfen: 100 Jahre Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen, hrsg. von Fürsorgeheime Leonberg-Oberensingen, Stuttgart 1971. Von Haus zu Haus: Informationen für die Mitarbeiter der Samariterstiftung, hrsg. von Samariterstiftung, Nürtingen 1980 ff. Daniel Römer: Die Dienstbotenheimat Fellbach 1875-1918, Stuttgart 2006. |