===== Langenbeutingen mit dem Weiler Neudeck =====
Langenbeutingen mit dem Weiler Neudeck gehören seit der Gemeindereform 1975 zur Gemeinde Langenbrettach. Zusammen mit dem Ortsteil Brettach liegen sie am Unterlauf des Flüsschens Brettach, das in Ziegelbronn im Mainhardter Wald entspringt und in Neuenstadt in den Kocher mündet. Vor dem Zusammenschluss zur Gesamtgemeinde gehörte Langenbeutingen mit Neudeck zum Hohenlohekreis (Hohenloher Ebene), heute zum Landkreis Heilbronn. Langenbeutingen ist ein Straßendorf, das um 1600 aus dem Oberdorf „Wyler mit der Martinskirche und dem Unterdorf „Butinga mit der Frühmeßkapelle zur Hl. Maria zusammengewachsen ist. Beide Kirchen finden sich im Wappen von Langenbeutingen, getrennt durch das Flüsschen Brettach, wieder. Die erste urkundliche Erwähnung von Langenbeutingen (Butinga in Bretachgowe) findet sich im Lorscher Kodex im Jahr 855. Erste frühgeschichtliche Siedlungsspuren im Gebiet von Neudeck gehen bis in die Zeit 1000 v. Chr. zurück. Römische Siedlungen befanden sich in der Gegend. Bei Pflügarbeiten in Neudeck entdeckte in den Jahren 1977 und 1978 der Landwirt Adolf Möß Teile einer römischen Sandsteinskulptur, die zusammengefügt den Gott Merkur darstellt. Von Neudeck aus herrschten ab ca. 1215 die Herren von Neudeck über die Dörfer Wyler (Weyler) als dem Oberdorf und Beutingen (Butinga) als dem Unterdorf. Sie hatten das Recht, hier den Pfarrer einzusetzen und den kirchlichen Zehnten, sowie weitere Einnahmen aus dem kirchlichen Bereich einzuziehen. Nach 1320 mussten die Herren von Neudeck Teile ihrer Herrschaft an die Grafen von Hohenlohe abtreten. Die Ära der Herren von Neudeck endet 1588 nach wechselvoller Geschichte mit dem tragischen Selbstmord von Hans Sigmund.
===== Die Kirchen =====
Pfarrer Theodor Friedrich Köstlin (1872-1881) berichtet in seiner Chronik zur Geschichte der Kirchengemeinde (Seite 373-465): „Das Christentum in unserer Gegend reicht bis in das 5. Jahrhundert zurück. Der hl. Kilian (gebürtiger Ire) gilt als Apostel des Frankenlandes. Die älteste Kirche in unserer Umgebung, Baumerlenbach, wird erstmals um 788 erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass schon vor 800 v. Chr. in Langenbeutingen eine Holzkirche bestand. So ist davon auszugehen, dass keine der beiden Beutinger Kirchen aus der Gründungszeit stammt. Welche der beiden Kirchen die ältere ist, ist nicht zu ermitteln, aber beide Kirchen haben im Chor dasselbe einfache Tonnengewölbe, die auf ein hohes Alter hinweisen.
===== Die obere Kirche in Wyler (Weyler) (Martinskirche) =====
In der Festschrift des Heimatgeschichtlichen Vereins „1150 Jahre Langenbeutingen wird berichtet, dass mit ziemlicher Sicherheit die erste Holzkirche bereits 800 v. Chr. am selben Platz gestanden haben muss. An ihre Stelle trat im 11. Jahrhundert eine Kirche im romanischen Stil, die als Chorturmanlage erbaut wurde. Der Turm mit Chor stammt aus dieser Zeit. Das Langhaus muss im Vergleich zur heutigen Kirche weit kleiner gewesen sein. Zur Reformationszeit wurde die Kirche zu klein. 1609 ließ Graf Kraft zu Hohenlohe-Öhringen das heutige Kirchenschiff erbauen. Den Herren von Neudeck diente die Kirche z. T. als Grablege. In der Südwand der Kirche befindet sich ein entsprechendes Epitaph. Der früher die Kirche umgebende Kirchhof ist abgegangen. Im 18. Jahrhundert erhielt der Kirchturm ein Fachwerkobergeschoss mit Pyramidendach. 1795/1800 wurden die Emporen erweitert. Im Dachgiebel über der Flachdecke des Kirchenraumes befand sich früher ein Getreidespeicher. Von der Hohenloher Künstlerfamilie Sommer, vermutlich von Johann Jakob Sommer (1645-1715), stammen das Kreuz über dem Altar und die Engel links und rechts vor dem Chorbogen. Die Empore über dem Altar ist wohl in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden. Vor dieser Zeit sollen, um Raum zu gewinnen, je eine Empore auf der West- und Nordseite vorhanden gewesen sein. Die Kanzel befand sich an der ersten hölzernen Säule vor dem Chorbogen. Nach Errichtung der neuen Empore auf der Westseite wurde die Kanzel an die Südwand verlegt. Die Orgel wurde im Jahr 1840 erbaut. Neben der Orgel stand der Stuhl für die fürstlichen Beamten. Die Erneuerung des Daches am Kirchturm war 1951 notwendig und ausgeführt worden. Aber schon 1955 und 1956 waren wieder Sturmschäden am Kirchturm zu verzeichnen. In den Jahren 1964-1966 erfolgte dann die letzte gründliche Renovierung des Innenraumes der Martinskirche. Die Nordempore wurde entfernt und die Orgel- und Westempore neu gerichtet. Das alte Chorgestühl wurde entfernt, die Kirchenbänke wurden durch bequemere ersetzt. Wie nach jeder größeren Kirchenrenovierung wurden auch in diesem Jahr neue Dokumente in die Kugel der Kirchturmspitze gelegt. So befinden sich dort bis heute wertvolle zeitgeschichtliche Dokumente (z. B. von 1769, 1876 und 1966). Im Dezember 1969 wurde die Orgel erneuert. Eine Neugestaltung des Kirchplatzes erfolgte im Jahr 1990. Die Außenfassade der Martinskirche wurde 1992 saniert. Ende der 90er Jahre stellten sich bereits Schäden an der sanierten Westfassade heraus. Nachdem im Jahr 2006 Fachgutachten eingeholt worden waren, musste die Westwand 2008/2009 nochmals neu saniert werden.
===== Die untere Kirche in Butinga oder Beutingen (Marienkirche, „Unteres Kirchle) =====
Die Frühmeßkapelle im unteren Ortsteil „Beutingen wird 1354 erstmals erwähnt. Sie war ohne eigene Pfarrrechte. Sehr alt ist der Turm mit dem Chor und dem flachen Tonnengewölbe. 1511/12 wurde das Kirchenschiff umgebaut. Aus dieser Zeit stammt der gotische Baldachin auf der Nordostseite. Darunter befand sich ein Marienbild oder ein Altar. Neben der Eingangstüre findet sich ein Weihwasserstein in einer Spitznische. Etwa um 1630 wurde das Dach des Kirchenschiffes abgerissen und das Fachwerkgeschoss aufgesetzt. Zusätzlich wurden zwei Emporen eingebaut. 1830 wurde der Turm baufällig. Daraufhin wurde er in fränkischem Fachwerk aufgestockt und eine Uhr darin eingebaut. Das Kirchlein wurde 1892 von der bürgerlichen Gemeinde übernommen. Bis zur Sanierung des verwahrlosten Kulturdenkmals in den Jahren 1981 - 1983 fand das Gebäude als Turnhalle, Vereinsraum und bei der vorübergehenden Unterbringung von Kriegsgefangenen und Heimatvertriebenen Verwendung. Das „Untere Kirchle dient heute der Jugendarbeit der Kirchengemeinde, kulturellen Veranstaltungen der bürgerlichen Gemeinde und des Heimatgeschichtlichen Vereins sowie der Anmietung zu privaten Nutzungen. In der Dachstube befindet sich seit 2004 die „Albrecht-Goes-Stube, ein kleines, gut besuchtes Museum für literarisch Interessierte, Freunde und Gönner des schwäbischen Dichters und Pfarrers Albrecht Goes (1908-2000). Diese wird gestaltet und betreut vom Heimatgeschichtlichen Verein Langenbrettach e. V. mit Unterstützung der Familie von Albrecht Goes, dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach und dem Kreisarchiv des Landkreises Heilbronn.
===== Die Kirchengemeinde =====
In den Jahren 1872-1881 legte Pfarrer Theodor Friedrich Köstlin eine Dorfchronik für Langenbeutingen an. Diese Chronik beinhaltet u.a. die Geschichte der Kirchengemeinde, das kirchliche und bürgerliche Leben und Statistiken. Sie dient in der folgenden Darstellung der Kirchengeschichte Langenbeutingen als wichtige Quelle, auch wenn nicht alle Angaben historisch verifiziert werden können (im Folgenden sind Zitate daraus kursiv gedruckt). Die Kirchengemeinde Langenbeutingen (Beutingen) gehörte seit alters her zu der Diözese Würzburg. Bis ins Jahr 1425 hatten das Patronatsrecht die Lehensritter auf Burg Neudeck (Lehensurkunde des Bischofs Andreas von Würzburg von 1303 an den Bertholdus de Neudeck). Deren Vorfahren könnten vielleicht die Erbauer der Langenbeutinger Kirchen gewesen sein. Einige Herren von Neudeck waren Domherren in Würzburg (1340 Gottfried von Neudeck, 1389 Berthold der Ältere und Berthold der Jüngere von Neudeck). Jede der Kirchen hatte ihren eigenen Geistlichen. An der oberen Kirche war ein Pfarrer, an der unteren Kirche ein Frühmesser oder Kaplan angestellt. Zur Pfarrstelle gehörte ein 180 Morgen großes Gut. Ob der Pfarrer das Gut selbst bewirtschaftet hat, ist fraglich. Um 1460 wurde das Gut von Sigmund von Neudeck in Erbpacht verliehen und dem Pfarrer ausgemittelt. Mit der Frühmesskapelle war ebenfalls ein Gut verbunden, das nach dem Abgang des letzten Frühmessers wahrscheinlich verkauft wurde. Aus den Zeiten vor der Reformation erfahren wir nichts Besonderes über die Kirchengemeinde und den hiesigen Geistlichen. Aus dem Jahr 1428 stammt eine Quittung über 7 Gulden, welche in Beutingen als Beisteuer zum Krieg gegen die Hussiten gesammelt worden waren. Im Folgenden ist ein längerer Abschnitt aus Pfarrer Köstlins Chronik abgedruckt, deren Angaben heute nicht genau belegt werden können: „Es ist davon auszugehen, dass in der Gemeinde an den kirchlichen Bräuchen des Hohenloher Landes Anteil genommen wurde. Mitte des 15. Jahrhunderts dürften auch aus Beutingen nicht wenige Bewohner zu dem wundertätigen Marienbild in der Stiftskirche in Öhringen gewallt sein. Auch der Ablasshandel wurde schwunghaft betrieben. Orendiesal Raymundus schleppte ca. 1502 120 Gulden aus Öhringen fort, von denen er als Provision den größeren Teil erhielt. Erfolgreicher war um 1508 Günther von Bunau, der 328 Gulden in Öhringen zusammenbrachte. 1340-1348 war über das Hohenloher Land und über einen großen Teil Deutschlands ein Interdikt verhängt, weil die Fürsten und Grafen es mit Kaiser Ludwig hielten. Jede Art von Gottesdienst wurde verboten, Glocken duften nicht geläutet, keine Messe gelesen, kein Kind getauft, keine Ehe eingesegnet und kein Toter mit kirchlichen Ehren bestattet werden. Dasselbe wiederholte sich 1380-1400: Einer der handgreiflichsten Beweise von der Gewissenlosigkeit, mit der die Köpfe allzeit mit dem frommen Sinn des Volkes ihr frevelhaftes Spiel getrieben haben. Auch unsere Gemeinde hat einst unter diesen harten, grausamen Maßregeln leiden müssen. Die Grafen von Hohenlohe haben sich mehrfach über die Rohheit, Faulheit, Unwissenheit und Sittenlosigkeit der Geistlichen vor allem der Öhringer beklagt und versuchten dagegen einzuschreiten. Als Luther auftrat kam auch in unserer Gegend das Volk in Aufruhr. Die Grafen von Hohenlohe gingen äußerst behutsam und vorsichtig vor. Sie hatten ja im Bauernkrieg schlechte Erfahrungen gemacht. Sie waren aber der Sache der Reformation von Herzen zugetan. Nach Abschluss des Passauer Vertrages hat sich die Lage geklärt. Die evangelische Kirche hatte einige Sicherheit gewonnen. Die Nachbarländer, wie z. B. Rheinpfalz, Württemberg, Hall, Nürnberg, Auerbach, hatten sich bereits reformiert. Graf Georg I. soll auf seinem Sterbebett 1551 das Abendmahl nach protestantischem Brauch erhalten haben. Seine Söhne ordneten mit der Kirchenordnung von 1553 das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) für alle Pfarrer und Prediger der Grafschaft an. „Um das Jahr 1553 beschloss Graf Ludwig Casimir in seinem Lande die Reformation durchzuführen und künftige Prediger des Evangeliums zu gewinnen, um die offenbaren kirchlichen Missstände zu beenden. Die Bevölkerung war allem Anschein nach längst vom Papsttum abgefallen. Von Schwäbisch Hall aus, wo Johann Brenz lang gewirkt hat, und von den benachbarten württembergischen Orten aus, war die evangelische Lehre weit und breit bekannt. Diese Veränderung ging still und ohne Störung vor sich. Erworbene Rechte wurden geschont. Der Frühmesser behielt seine Pfründe, die Verpflichtung der Eberhaltung und zum Pfarrgut. Dies ist noch im Dorfbuch von 1558 erwähnt. Wie lange er noch Messen gehalten hat und ob diese noch besucht wurden, ist nicht bekannt. Mit seinem Abgang oder Tod ging die Stelle ein. Das Kirchlein wurde fortan zur Nebenkirche, zur Kinderlehre und zu Feiertagspredigten genutzt. Der erste evangelische Pfarrer war Peter Pfeffer (1553-1556), der von den Herren von Neudeck im Alter von 25 Jahren zur Pfarrei Langenbeutingen berufen wurde und am 1. November 1553 seine Antrittspredigt gehalten hat. Er soll in dieser Zeit einer der tüchtigsten Geistlichen in Hohenlohe gewesen sein. Der erwähnten Visitation war die Einführung der hohenlohischen Kirchenordnung vorausgegangen, die bis zur Aufhebung der hohenlohischen Herrschaft Geltung hatte. Diese wurde von Graf Ludwig Casimir herausgegeben und im Jahr 1577 gedruckt. Das älteste Exemplar aus dem Pfarrarchiv stammt aus dem Jahr 1688. Alle vier Wochen fand ein Bußtag statt. 1755 wurden anstelle des monatlichen Bußtages die Quartalsbußfeste eingeführt mit zweimaligem Gottesdienst, Predigt und Kinderlehre. 1795 wurden die Freitagspredigten in Kinderlehren umgewandelt. Das Hohenlohische Gesangbuch mit 150 Liedern und Noten wurde 1629 in Nürnberg gedruckt. Feste und Feiertage blieben dieselben bis auf das Fest Maria Empfängnis, das auf den Tag Maria Himmelfahrt (15. August) verlegt wurde. Die Kirchenordnung verbietet sämtliche „arge schädliche und unnötigen Zeremonien als da waren: Weihe von Wasser & Salz an den Sonntagen, Wachs zu Lichtmess, Aschen an Aschermittwoch, Palmen am Palmtag, Fladen, Eier, Fleisch am Ostertag, Würz oder Kräuter an Maria-Himmelfahrt, Wein an St. Johannis .... 1557 wurde auf Befehl des Grafen Ludwig Casimir mit der Anlegung von Kirchenbüchern begonnen. Das alte Kirchenbuch wurde 1642 vernichtet. Lothringische Kriegsvölker waren im Ort einquartiert. Sie drangen ins Pfarrhaus ein, randalierten und rissen das Kirchenbuch auseinander. Es blieb nur der Anfang des Taufbuchs übrig. Die Kirchenvisitationsordnung stellte 1579 fest, dass die Pfarrer in Beutingen zur Spezialsuperintendenz Neuenstein gehören sollen, neben den Ortschaften Orendelsall, Neuenstein, Forchtenberg, Ohrnberg, Baumerlenbach, Michelbach und Kirchensall. Das Konsistorium befand sich in Neuenstein. Mit der alleinigen Besitznahme der Linie Hohenlohe von Neuenstein und Öhringen wurde die Regierung und das Konsistorium nach Öhringen verlegt. 1806 wurden die hohenlohischen Lande in das Königreich Württemberg einverleibt. Die Pfarrei wurde dem Dekanatamt Öhringen und der Generalsuperintendenz Hall zugeteilt. Der Dekan hatte das Pfarramt regelmäßig zu visitieren. 1837 lagen bei der Stiftungspflege 175 Gulden gegen gesetzliche Versicherung und 4 1/2 % Zinsen, zum Ausleihen bereit (vgl. Öhringer Intelligenzanzeiger vom 20. und 27. Oktober 1837). Die Vermögensangelegenheiten hatte bis Ende des 19. Jh. der aus Pfarrer, Schultheiß und Gemeinderat bestehende Stiftungsrat zu verwalten. In einzelnen Punkten war das Gutachten des Bürgerausschusses einzuholen. Ein Ausschuss des Stiftungsrates war der Kirchenkonvent (kirchliche Sittenpolizei), bestehend aus dem Geistlichen, dem Ortsvorsteher, dem Stiftungspfleger und zwei Gemeinderäten. 1851 wurde der Pfarrgemeinderat eingeführt. Erstmals fanden Wahlen in der evangelischen Landeskirche statt. Das Wahlrecht stand jedoch nur allen männlichen Kirchenmitgliedern zu, die über 30 Jahre alt waren. Der Pfarrgemeinderat bestand aus sechs „unbescholtenen Männern, die alle über 40 Jahre alt sein mussten (Wahl von Kirchenältesten). Der Pfarrgemeinderat hatte aber nur einen sehr geringfügigen Wirkungskreis. Für die Durchsetzung seiner Vorschläge musste er den Stiftungsrat und den Kirchenkonvent in Anspruch nehmen. Aufgrund der mangelnden Machtbefugnis war die Wahlbeteiligung zu dieser Zeit unbedeutend, so berichtet die Chronik. 1881 bestand das Kollegium aus dem Pfarrer als dem Vorsitzenden und weiteren 6 Mitgliedern. Die Amtszeit betrug 6 Jahre. Nach drei Jahren schied die Hälfte der Mitglieder aus. Die Wiederwahl war gestattet. Die Ausscheidung kirchlichen Vermögens wurde 1891 vollzogen. Stiftungsrat und Kirchenkonvent wurden aufgelöst und als neues Organ 1889 der von den zunächst nur männlichen Gemeindemitgliedern gewählte Kirchengemeinderat geschaffen. Der Kirchengemeinderat erhielt die Entscheidungsbefugnis über das kirchliche Vermögen, das von der ebenfalls neu geschaffenen Kirchenpflege verwaltet wurde. Mit der Einführung des Kirchengemeinderats stieg dann auch die Wahlbeteiligung beträchtlich an. Er bestand aus Ortspfarrer, Ortsvorsteher, Kirchenpfleger sowie weiteren 8 gewählten Gemeindemitgliedern (28.7.1889). Das Kameralamt in Öhringen war bisher für die kirchlichen Gebäude zuständig. Alle Reparaturen, Beschaffungen usw. mussten beim Kameralamt beantragt werden. Mit der Ausscheidung des Kirchengemeindevermögens wurden auch die Liegenschaften der Kirchengemeinde übertragen. Der Kirchengemeinderat hatte das Recht durch die Besteuerung der Gemeindeglieder die nötigen Finanzmittel zu beschaffen. Der Pfarrgemeinderat sandte seit 1854 einen auf drei Jahre gewählten Deputierten zu der jährlich in Öhringen stattfindenden Diözesansynode, welche unter dem Vorsitz des Dekans und je zur Hälfte aus den Geistlichen des Bezirks und den Pfarrgemeinderäten stattfand. Die Synode verhandelte über innerkirchliche Angelegenheiten. Ab dem Jahr 1869 wurde aus der Diözesansynode ein Mitglied für die Landessynode gewählt. Die Landessynode sollte alle vier Jahre einberufen werden. Die tatsächliche Einberufung verzögerte sich jedoch teilweise erheblich. Schullehrer Böbel gründete 1886 einen Kirchenchor. 1938 wurde der Chor unter der Leitung von Schullehrer Schaich aufgelöst. Die Sängerinnen schließen sich dem Gesangsverein an. 1902 wurde der Entschluss gefasst, einen Evang. Krankenpflegeverein zu gründen. Die Satzung wurde 1903 beschlossen und umfasste die Kirchengemeinde Langenbeutingen mit Neudeck sowie die erwachsenen evangelischen Christen in Weißlensburg. Die erste Schwester trat ihren Dienst am 2. April 1904 an. In den Jahren von 1914 bis 1917 ist die Krankenpflegestation unbesetzt. Der bürgerlichen Gemeinde wird 1922 die Krankenpflegestation übertragen. Von der Gemeindeverwaltung war 1938 vorgesehen, einer weltlichen Schwester (NS-Schwester) die Krankenpflege zu übertragen. Die Schwester weilte ab dem 1. April kurz in Langenbeutingen, wurde aber nur von Parteiangehörigen in Anspruch genommen. Die Diakonisse versah weiterhin die Pflege der Kranken. Im Kriegsjahr 1942 war die Gemeindeschwester für den Einsatz bei der Wehrmacht an der Front vorgesehen. Nur nach Interventionen durch den Oberkirchenrat, das Rote Kreuz und das Diakonissenwerk in Schwäbisch Hall wurde der Verbleib in Langenbeutingen gesichert. Die letzte Diakonisse verließ am 14.11.1967 Langenbeutingen. Ab diesem Zeitpunkt übernahm die Krankenschwester aus Brettach die Pflegestation. Ein Foto vom 2. Juli 1944 zeigt ein Treffen von 21 Schwäbisch Haller Diakonissen im Pfarrgarten, die alle in Langenbeutingen Dienst getan hatten. Durch die Kirchengemeinde wurde 1935 in Langenbeutingen ein Kindergarten eingerichtet. Dieser blieb-mit einer kurzen Unterbrechung in der NS-Zeit (1945)-bis zur Übernahme durch die bürgerliche Gemeinde im Jahr 1957 in der Verantwortung der Kirchengemeinde. Nach den Kriegswirren war der Kindergarten ab 1946 behelfsmäßig in der Scheune von Karl Braun (Schulstraße 36) untergebracht. Nach der sechsjährigen Übergangszeit wurde 1952 mit der Gemeindeverwaltung die Beteiligung beim Bau eines neuen Kindergartens beschlossen. 1954 wurde dann das Baugesuch eingereicht. Die Übernahme des Kindergartens durch die bürgerliche Gemeinde erfolgte 1957. Die erste Nennung der Langenbeutinger Schule fällt schon in das Jahr 1580. Die Verantwortung für das Schulwesen lag bis ins Jahr 1909 bei der Kirche. Lagenbeutingen gehörte zum Bezirksschulinspektorat Öhringen. Pfarrer Eberhard Goes übernahm 1906 die Pfarrei. Er galt als strenger Pfarrer, der sich besonders um Alkoholkranke und um die Friedhofsfrage (Bestattung von Andersgläubigen und vom Freitod betroffenen Personen auf den kirchlichen Friedhöfen) bemühte. Ein Anliegen war ihm auch, Ausbildungsplätze für Jugendliche zu bekommen. Seine „Langenbeutinger bezeichnete er gelegentlich als „Mostköpfe. Seine Frau Elisabeth setzte sich für gerechte Unterbringung, Behandlung und Bezahlung von Haushaltshilfen ein. Im Pfarrhaus wurde 1908 als zweites Kind ihr Sohn Albrecht geboren, der als Dichter und Pfarrer Weltruhm erlangte (siehe Anhang). Eberhard Goes beantragte 1910 die Einführung von Elektrizität in Kirche und Pfarrhaus. Er organisierte jährlich mehrere Gemeindeabende mit Vorträgen, Aufführungen, Gesang oder Lichtbildern. Eberhard Goes unterrichtete von 1900-1903 als Hilfslehrer am Karlsgymnasium Heilbronn. Unter den Schülern war der spätere Bundespräsident Theodor Heuss. Zwischen dem Lehrer und seinem Schüler entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die sein Sohn Albrecht weiterpflegte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden mit dem Konsistorialerlass vom 31. März 1917 die Pfarrämter aufgefordert, den Bestand an Glocken zu erheben. Am 22. April wurde der Bericht von Pfarrer Goes an das Oberamt in Öhringen gesandt. Die beiden großen Glocken wurden abgenommen. Schon 1920 wurden die neuen Glocken bei der Firma Bachert gegossen. Für eine bessere Betreuung der Bevölkerung im Unterdorf erwägt die Kirchengemeinde 1929, das „Untere Kirchle von der Gemeinde zurückzukaufen. Ein Vertreter des Oberkirchenrats kam mit einem beauftragten Architekten aus Stuttgart am 22. Januar zur Augenscheinnahme. Das erstellte Gutachten zählt Argumente für den Kauf auf: die günstige Lage, die Zweckdienlichkeit eines zweiten gottesdienstlichen Raumes in diesem dicht besiedelten Ortsteil und der in der Größe passende Innenraum. Dagegen spricht der schlechte Zustand des Denkmals und die Last, die die Kirchengemeinde durch die erforderliche äußere Instandsetzung zu tragen hätte. Auch eine geplante Einziehung einer Zwischendecke und ein dadurch geschaffener Raum für eine Schwesternwohnung in den Obergeschossen kamen wohl nicht in Frage. Mit der Übernahme dieses Gebäudes wäre der bürgerlichen Gemeinde eine große Last abgenommen worden. Während der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes waren einschneidende Beeinträchtigungen des kirchlichen Lebens hinzunehmen. So wurden z.B. 1934 die evang. Jugendvereine in die Hitlerjugend integriert. In den Jahren um 1938 sind Kirchenaustritte u.a. von örtlichen Persönlichkeiten und der Ausschluss des Geistlichen vom Religionsunterricht zu verzeichnen. Kirchliche Veranstaltungen waren den Terminen von parteipolitischen Veranstaltungen unterzuordnen. Vermeldungen und besondere Gebete, z. B. zum Geburtstag des Führers, waren in die Gottesdienste nach Parteivorgabe einzubeziehen. Unklar ist, ob die Auflösung des Kirchenchors in diesen Jahren auch auf den Druck durch NS-Funktionäre zurückzuführen ist. Weiterhin gab es Eingriffe in die gewohnte Läuteordnung sowie die Aufforderung zu Metallspenden und die Erfassung der Kirchenglocken im März 1940. Im Februar 1942 wurden die beiden großen Glocken abgenommen und für Kriegszwecke beschlagnahmt. Die noch bestehende Jungmädchengruppe wurde 1943 in die nationalsozialistische Jugend überführt. Bedingt durch die Kriegsereignisse kamen vermehrt katholische Flüchtlinge (von Bessarabien, Ungarn, Tschechoslowakei, Sudetenland und Böhmerwald) nach Langenbeutingen. Die kath. Kirchengemeinde bat die evang. Kirchengemeinde 1942, Gottesdienste in der Martinskirche feiern zu dürfen. Von 1944 bis 1950 fanden regelmäßig kath. Gottesdienste, Erstkommunion-, Firmungsfeiern und Prozessionen statt, bis eine Behelfskirche (Baracke) unterhalb des Friedhofs den Katholiken zur Verfügung gestellt wurde. Durch Mithilfe der bürgerlichen Gemeinde und dank einer großzügigen Einzelspende konnten schon bald nach dem Krieg neue Glocken für die im Krieg verloren gegangenen beschafft werden. Am 24. November 1949 wurden von der Glockengießerei Bachert neue Glocken geliefert, die von der Markungsgrenze zu Brettach mit Schülerinnen und Schülern, Musikverein und Bevölkerung zur Kirche geleitet wurden. Wegen der Zunahme der Bevölkerungszahlen wurde 1964 die Anzahl der Sitze im Kirchengemeinderat von 7 auf 9 Ratsmitglieder erhöht. 1966 fand die letzte große Innensanierung der Martinskirche statt, bei der die Nordempore sowie das Chorgestühl entfernt wurden (s.o.). Die Neugestaltung des Kirchplatzes in den achtziger Jahren wertete das Ensemble von Pfarrhaus und Kirche wesentlich auf; bislang waren hier noch Fuhrwerke und Traktoren von der Kirchgasse auf die Hohenloher Straße gefahren.
===== Das Pfarrarchiv Langenbeutingen =====
Auf der Grundlage eines Kirchengemeinderatsbeschlusses wurden im Frühjahr 2009 die historischen Kirchenbücher sowie Bände, Akten und Rechnungsunterlagen der Kirchengemeinde dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart zur Sicherung und Aufbewahrung übergeben. Nach Reinigung der Archivalien wurde der gesamte Bestand von Wolfgang Gebhard im Sommer 2009 nach den Verzeichnungsgrundsätzen des Landeskirchlichen Archivs erschlossen. Die bei vielen Einträgen genannten Vorsignaturen beziehen sich auf die Registraturordnung für die Pfarrämter, nach der die Aktenüberlieferung von 1901 bis 1966 zumeist abgelegt war. Die Abschlussredaktion erfolgte durch Julia Sobotta und Bertram Fink im Herbst 2010. Der Bestand Pfarrarchiv Langenbeutingen hat 194 Bestellnummern und erstreckt sich über den Zeitraum von 1641 bis 1975.
Wolfgang Gebhard
===== Nachtrag =====
In Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen, besonders dem Heimatgeschichtlichen Verein, fand am 30. Mai 1998 eine Feier zum 90. Geburtstag des Dichters und Pfarrers Albrecht Goes statt. Für Albrecht Goes war es der letzte Besuch in seinem Geburtsort. Zahlreiche Gäste aus der Familie des Jubilars, Pfarrer, Freunde und Bekannte, Goes-Kenner, aus fast allen Bundesländern und aus Frankreich folgten der Einladung zu diesem Festakt. Ebenso wurde der 100. Geburtstag von Albrecht Goes mit einem großen Festtag, in den die ganze Dorfgemeinschaft eingebunden war (Liederkranz, Musikverein, Heimatgeschichtlicher Verein, viele ehrenamtliche Helfer, bürgerliche Gemeinde und Kirchengemeinde) gefeiert. Ein großer Gewinn für die Kirchengemeinde war der Bau eines neuen Gemeindehauses, der nach langer Vorplanung und mit großem Engagement aus der ganzen Bevölkerung durchgeführt wurde. Architektin Birgit Theobold hat das Gemeindehaus geplant und die Bauarbeiten begleitet. Der Bau war möglich geworden, weil es von der Landeskirche Sonderförderungen für kleine Gemeinden gab, die bislang noch kein eigenes Gemeindehaus hatten. Insgesamt hat der Bau ca. 480.000 € gekostet. Die Gemeinde hat es dank zahlreicher Spenden, viel Eigenleistung und großzügiger Förderung durch Stuttgart geschafft, ohne Aufnahme von Schulden den Bau zu finanzieren. Die Einweihung des neuen Gemeindehauses fand im September 2004 statt. Seither ist der „Pluspunkt-so der Name für das neue Gemeindehaus-ein zentraler Veranstaltungs- und Begegnungsort der Kirchengemeinde und wird für vielerlei Aktivitäten in der Gemeindearbeit genutzt. Das „Untere Kirchle, das bislang Räumlichkeiten für Gruppen und Kreise bot, wird derzeit weiterhin von der Kirchengemeinde für Gottesdienste und einzelne Veranstaltungen und Angebote genutzt. Die Neustrukturierung der Pfarrstellen in der Landeskirche ging auch an Langenbeutingen nicht spurlos vorüber. Als kleine Landgemeinde mit weniger als 1.000 Gemeindegliedern wurde die Pfarrstelle von 100% auf 75% gekürzt. Gleichzeitig standen Überlegungen auf Kirchenbezirksebene an, ob Langenbeutingen wie die Gemeinde Geiselhardt entsprechend der Kreisgrenzen vom Kirchenbezirk Öhringen losgelöst und dem Kirchenbezirk Neuenstadt zugeschlagen werden soll-in diesem Fall wäre die Bildung einer Gesamtkirchengemeinde Langenbrettach wohl naheliegend gewesen. Gegen die Kürzung der Pfarrstelle konnte sich die Gemeinde nicht wehren, doch konnte sie sich erfolgreich dem Ansinnen widersetzen, dem Kirchenbezirk Neuenstadt zugeschlagen zu werden. Die alten Bindungen und Identitäten waren bei dieser Entscheidung noch deutlich zu spüren. Es gelang weiterhin, das Diakoniepfarramt des Kirchenbezirks Öhringen an die Stelle in Langenbeutingen zu koppeln, und so konnte man nach dem Weggang von Pfarrer Jochen Ellinger 2006 weiterhin eine - wenn auch geteilte - 100%-Stelle im Kirchenbezirk Öhringen ausschreiben.
Pfr. Tilman Just-Deus |