Geschichte der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Die "Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg" wurde 1923 unter dem Namen "Bund ev. Frauenvereine Württemberg" als Dachverband der ev. Frauenvereinigungen in Württemberg gegründet. Die Gründung geschah auf Anregung der Frauenabteilung des Ev. Volksbunds, des Landesverbands des Deutsch-Ev. Frauenbundes (DEF) und des Landesverbands der Freundinnen junger Mädchen. Der Gründungsimpuls ging vermutlich zurück auf die Bestrebungen der reichsweiten "Vereinigung Ev. Frauenverbände Deutschlands" (VEFD), der sich während der zwanziger Jahre nachdrücklich darum bemühte, in den Provinzen Unterorganisationen aufzubauen. Württemberg gehörte mit Bayern zu den ersten Provinzen, in denen sich vergleichbare Landesdachverbände konstituierten (Kaufmann 1988). Erste nachweisbare Kontakte zwischen dem württembergischen Dachverband und dem Reichsverband gibt es allerdings erst ab dem Jahr 1925 mit der Aufnahmebestätigung in den Reichsverband (Bestellnr. 287). Landes- wie Reichsverband verstanden sich als "Trägerin der allgemeinen ev. Frauenbewegung" (Kaufmann 1988) und damit als ein ev. Gegenmodell zum BDF, dem überkonfessionellen Dachverband der deutschen Frauenbewegung. Im Gründungsprotokoll vom 5. März 1923 wird deshalb, neben dem Austausch der Mitgliedsorganisationen untereinander, als Aufgabe des Bundes vor allem die öffentliche Positionierung von Frauen hervorgehoben: "Als Vertreter der Anschauungen und Interessen der ev. Frauen Württembergs wird er [der Bund] im öffentlichen Leben ein Faktor bilden, mit dem gerechnet werden muß." Als Zielsetzung wurde formuliert: "Der Bund soll zu großen öffentlichen Fragen der Gegenwart Stellung nehmen." (Bestellnr. 3, 33). In den folgenden Jahren traten ev. Berufsverbände, Diakonieschwesternschaften, karitative und theologisch ausgerichtete ev. Frauenvereinigungen dem Bund bei. Mit der "Machtübernahme" der Nationalsozialisten veränderte sich die Organisationsstruktur des Bundes. War er bislang ein von der Landeskirche unabhängiger Verband gewesen, so schloss er sich im Mai 1933 der Landeskirche an, um nicht aufgelöst zu werden (Bestellnr. 217). Damit einher ging eine Namensänderung im Januar 1934. Der Bund nannte sich nun "Frauenwerk der Ev. Landeskirche Württemberg". Anfänglich bemühte sich das Ev. Frauenwerk sehr, von den nationalsozialistischen Organisationen als unterstützende, gleichwohl eigenständige Partnerorganisation zum NS-Frauenwerk anerkannt zu werden Ab 1938 jedoch distanzierten sich beide Seiten deutlich voneinander. Das NS-Frauenwerk reklamierte die Bezeichnung "Frauenwerk" für sich, weshalb sich der ev Landesverband ein weiteres Mal umbenannte. Seit März 1938 heißt er nun "Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg" (Bestellnr. 2, 217). In den Jahren während des 2 Weltkriegs blieb der Verband auf rein innerkirchlich-religiöse Aufgaben beschrankt Ab 1945 widmete er sich wieder verstärkt Themen der politischen Öffentlichkeit. Wirtschaftspolitische Seminare in der Ev. Akademie Bad Boll (Bestellnr. 150/151), Staatsbürgerliche Tagungen (Bestellnr. 60-72) und Vortragsabende sowohl zum politischen Tagesgeschehen als auch zu den ideologischen Auseinandersetzungen während des Kalten Krieges prägten die Arbeit des Verbandes in den fünfziger und sechziger Jahren. In den siebziger Jahren öffnete sich die Frauenarbeit zunehmend den aktuellen frauenemanzipatorischen Veränderungspotentialen. Themen der Neuen Frauenbewegung wurden ebenso aufgegriffen wie Diskussionen der feministischen Theologie. In den 1970er- bis 1990er-Jahren verstärkte die Frauenarbeit ihr Engagement im gesellschaftspolitischen und frauenemanzipatorischen Bereich. Dies spiegelt sich z.B. in den Veranstaltungen der Staatsbürgerlichen Tagungen (Best.-Nr. 154-167) wider, bei denen sich die teilnehmenden Frauen über Fragen der Friedens-, und Europapolitik, Gentechnologie etc. informieren konnten. Bei den von der Frauenarbeit veranstalteten Bildungswochen für nicht erwerbstätige junge Mütter (Best.-Nr. 79-113) hatten die Frauen aufgrund des Betreuungsangebotes für ihre Kinder die Möglichkeit, sich mit Themen der Erziehung, Politik und religiösen Fragen auseinander zu setzen. Die Erholungswochen für griechische Frauen (Best.-Nr. 114-135) hatten zur Aufgabe, die Migrantinnen durch gemeinsamen Austausch aus ihrer Isolation zu holen und Begegnungen mit der deutschen Kultur zu ermöglichen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die ökumenischen Studienfahrten. Der Frauenarbeit war in Zeiten der Entspannungspolitik der 1970er Jahren daran gelegen, den Kontakt zu den östlichen Nachbarn zu suchen und Versöhnungsarbeit von der Basis her aufzubauen. Auch diverse Arbeitskreise und Projektgruppen waren von starkem friedenspolitischem Engagement, wie die Entstehung des Arbeitskreises "Frieden" (Best.-Nr. 566-572) und die Unterstützung der "Peace People" Bewegung in Irland zeigen (Best.-Nr. 679-687). Das politische Engagement erstreckte sich auch auf den außereuropäischen Raum. Südafrika und der von der "Frauenarbeit in Deutschland" initiierte Früchteboykott zur Abschaffung der Apartheidspolitik forderten vielfache Aufklärung und Aktionen (Best.-Nr. 402-406). Ein besonderes Anliegen der Frauenarbeit war die Schwangerschaftskonfliktberatung. Hierzu wurden von der Frauenarbeit viele Informationsveranstaltungen über den § 218 veranstaltet und zusätzlich so genannte "Kontaktpersonen" ausgebildet, die im Vorfeld von Beratungsstellen zu §218 arbeiteten (Best.-Nr. 490-506). Darüber hinaus gestaltete sich die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Verbänden vielseitig. Hervorzuheben ist jedoch die Zusammenarbeit mit dem Dachverband "Evangelische Frauenarbeit in Deutschland" (Best.-Nr. 460-482), da sich in diesen Faszikeln Mitgliederprotokolle und Stellungnahmen des Rechtsausschusses zu aktuellen frauenpolitischen Themen finden. Umfangreich dokumentiert ist auch die Mitgliedschaft und die Zusammenarbeit mit der "Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Württemberg" (Best.-Nr. 507-552).
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Inhalt des Bestands
Der Gesamtbestand der Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg bietet eine lückenlose Dokumentation über die Verbandsgeschichte, seinen Wandel und seine Entwicklungen. Auch der Werdegang vieler Mitgliedsorganisationen ist hier dokumentiert. Die Vollständigkeit des Bestandes vermag wertvolle Einblicke zu geben, insbesondere in die politische und weltanschauliche Position ev. württembergischer Frauenverbände während der Zeit des Nationalsozialismus. Darüber hinaus ist der Bestand nah an den jeweiligen aktuellen zeitgenössischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Diskussionen sowie gesellschaftlichen Umbrüchen seit den 50er Jahren und kann dadurch Aufschlüsse geben zu vielen säkularen Fragestellungen aus der lokalen und überregionalen Frauengeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Die interne Organisationsstruktur des Verbandes blieb im Überlieferungszeitraum im Wesentlichen gleich Die Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg ist der Dachverband der angeschlossenen ev Frauenverbände. In seinem Ausschuss (seit 1923) als dem verantwortlichen Gremium sind Delegierte der angeschlossenen Frauenverbände versammelt. Hieraus wird der Vorstand (seit 1929) gebildet, der hauptsachlich geschäftsführende Aufgaben übernimmt. Die organisatorische Verbandsarbeit übernimmt seit 1950 eine hauptamtliche Geschäftsführerin (Bestellnr. 158). Die Mitgliederversammlung tritt einmal jährlich (seit 1930) zusammen. Aus dem Hauptausschuss konstituieren sich nach Bedarf mit weiteren sogenannten Ausschüssen Arbeitsgruppen zu bestimmten Sachfragen, wie etwa die AG Ev. Frau im Staat (Bestellnr. 54-59), die die staatsbürgerlichen Tagungen inhaltlich vorbereitete. Der Verband selbst ist darüber hinaus zahlreichen wirtschaftlichen, sozialen und karitativen Organisationen assoziiert, teils als ordentliches Mitglied, teils als Adresse in deren Adressverteilern. Verbandsvorsitzende im Überlieferungszeitraum waren: - Mariane Kraut (1923-1935) (Bestellnr. 100) - Maria Raiser (1935-1981) (Bestellnr. 37) - Hildegard Leuze (1981- 1976), gleichzeitig Vorsitzende der Ev. Frauenarbeit in Deutschland (ab 1965) - Erika Stöffler (ab 1976) (Bestellnr. 36). Als Geschäftsführerinnen waren tätig Hilde Wiedenhöfer (1950 - 1972) und Traute Peters (ab 1972).
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Bestandsgeschichte
Die Teile A-B des Aktenbestands der Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg mit rund 13 lfd. m. gelangte in mehreren Abgaben (1989, 1998 und 1999) an das Landeskirchliche Archiv. Im Rahmen eines Werkvertrages wurden sie von Gesa Ingendahl 1999 bearbeitet. Sie umfassen das gesamte Verbandsschriftgut seit 1923 bis 1972 und weitere Teilbestände bis in die 1990er-Jahre mit insgesamt 293 Verzeichnungseinheiten auf 6,5 lfd. m. Die vorgefundene Ordnung wurde beibehalten die einzelnen, großteils neu gebildeten Aktentitel jedoch folgenden inhaltlichen Gruppen zugeordnet: 1) Organisation und Dienstbetrieb 2) Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse 3) Verbandsarbeit. Ausgeschieden wurden die zahlreich vorhandenen Mehrfertigungen, ebenso die Rundschreiben und Protokolle des Oberkirchenrats, insoweit sie ohne Zusammenhang mit anderen Aktenstücken gesammelt worden waren. Druckwerke, die einzelnen Akten zugeordnet waren wurden beim Bestand belassen, ebenso die periodisch erscheinenden Zeitschriften und Rundbriefe der Ev. Frauenarbeit in Deutschland ("mitteilungen", Bestellnr. 224-227), des Verbands ev. Theologinnen Deutschlands ("Die Theologin", Bestellnr. 8), des Verbands ev. Gemeindehelferinnen und Katechetinnen in Württemberg ("Rundbrief", Bestellnr. 228). Der allgemeine Bücherbestand wurde in die Landeskirchliche Zentralbibliothek eingeordnet und kann dort über die Bestandssignatur K 6 recherchiert werden. Die Bucher behandeln die Themenschwerpunkte sexuelle Aufklärung, Konfirmation und Mutterschaft. Auch etliche Fotos und Dias waren den einzelnen Akten zugeordnet. Aus Konservierungsgründen wurden die meisten aus den Akten entnommen und in die Fotosammlung des Landeskirchlichen Archivs eingegliedert. Verweise auf diese Fotos sind in den Enthält-Vermerken mit angegeben.
Angehängt an den Bestand der Frauenarbeit der Ev. Landeskirche in Württemberg ist der Vereinsbestand der Arbeitsgemeinschaft Ev. Hausfrauen Stuttgarts (AEH) (Bestellnr. 247-284). Die Anfänge der AEH sind nicht dokumentiert, einzelne Akten datieren vor 1923 (Bestellnr. 281). Die AEH fungierte als ein Ausschuss der Frauenarbeit, war und ist sie aber auch ein selbständiger Verein. Vorsitz und Geschäftsführung wurden bis in die 1970er-Jahre hinein in Personalunion mit der Frauenarbeit wahrgenommen. Außer der Mitgliedschaft in der Ev. Frauenarbeit ist die AEH Gründungsmitglied der "Arbeitsgemeinschaft Ev. Hausangestellter" (Bestellnr. 263) und der "Verbrauchergemeinschaft Stuttgart" (Bestellnr. 266). Sie ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und ist bundesweit als Teil der Ev. Frauenarbeit in Deutschland organisiert. Der Bestand der AEH wurde ebenfalls in der vorgefundenen Ordnung belassen und folgenden inhaltlichen Bereichen zugeordnet: 1) Organisation und Dienstbetrieb 2) Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse 3) Verbandsarbeit
Teil C des Aktenbestands der Frauenarbeit wurde im Oktober 2006 dem Landeskirchlichen Archiv übergeben. Im Rahmen eines Werkvertrags konnte der Bestand von Dorothea Besch von Februar bis Oktober 2008 bearbeitet werden. Er umfasst das Verbandsschriftgut von 1923-1999. Allerdings sind aus der Gründungszeit in diesem Findbuch nur einige wenige Schriftstücke enthalten. Der Großteil der Akten umfasst den Zeitraum ab 1970. Die vorgefundene Ordnung wurde beibehalten und nach folgenden inhaltlichen Gruppen zusammengestellt: 1. Organisation und Dienstbetrieb 2. Veranstaltungen der Frauenarbeit/Verbandsarbeit 3. Arbeitskreise und Projektgruppen 4. Zusammenarbeit mit der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland 5. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Verbänden 6. Weitere Gremienarbeit. Ausgeschieden wurden zahlreiche Mehrfertigungen von Tagungseinladungen und Ausgabenbelege von Veranstaltungen. Der Bestand umfasst ca. 7,5 lfd. m. Sein Erhaltungszustand ist gut. Teile der jüngeren Akten unterliegen noch einer archivrechtlichen Sperrfrist, die jeweils im Findbuch vermerkt ist. Fotos und Plakate wurden den Akten entnommen und in die Fotodatenbank bzw. Plakatesammlung eingegliedert. Mehrere Ausgaben des "Boykott-Rundbrief(s)" zur Apartheidspolitik in Südafrika in den 1970er-1990er Jahren wurden als Druckerzeugnisse an die Landeskirchliche Zentralbibliothek übergeben. |
Landeskirchliches Archiv Stuttgart: A 126, vor allem Registraturnummern 119b und 117g. Baumann Ursula: Protestantismus und Frauenemanzipation in Deutschland 1850- 1920, Frankfurt/Main 1992. Besch, Dorothea: Evangelische Frauen, wacht auf! Die staatsbürgerlichen Tagungen der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg von 1951-1969, Magisterarbeit Universität Tübingen 2004. Frauenarbeit der evangelischen Landeskirche in Württemberg: Wir Frauen in der Kirche, Gelnhausen 1980. Hahn, Gertrud: Frauen leben Kirche, Stuttgart 1998. Kaiser, J.-C.: Das Frauenwerk der Deutschen Ev. Kirche. In: Dollinger Heinz, u.a. (Hg.): Weltpolitik - Europagedanke - Regionalismus. Festschrift für Heinz Gollwitzer, Münster 1982, 483 ff. Kaufmann, Doris: Frauen zwischen Aufbruch und Reaktion. Protestantische Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts, München/Zürich 1988. Lange, Silvia: Protestantische Frauen auf dem Weg in den Nationalsozialismus. Guida Diehls Neulandbewegung 1918-1935, Stuttgart 1998. |