===== Zur Esslinger Kirchengeschichte =====
Keimzelle der heutigen großen Kreisstadt Esslingen war eine frühmittelalterliche Kapelle, in der die Gebeine des Märtyrers Vitalis aufbewahrt wurden und auf deren noch vorhandenen Resten die heutige evangelische Stadtkirche steht. Um 800 wurde Esslingen zum Markt erhoben und um 1212 zur Stadt. Aus dem Interregnum (1254-1273) ging die Stadt als freie Reichsstadt hervor. 1802 setzte sich Württemberg in den Besitz Esslingens.
Nachdem die Reformation schon in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts durch die Wirksamkeit Michael Stiefels in Esslingen Fuß gefasst hatte, wurde sie schließlich in den Jahren 1531 und 1532 hauptsächlich durch Ambrosius Blarer konsequent durchgeführt. Sofort nach dem Übergang der Reichsstadt an Württemberg 1802 wurde der erste Stadtgeistliche mit dem Dekanatamt betraut und es wurde eine Diözese Esslingen gebildet, die allerdings wesentlich kleiner war als jetzt. Die im Weltkrieg weitgehend unzerstört gebliebene Stadt beherbergt bedeutende mittelalterliche Kirchengebäude wie die Stadtkirche (ehem. St. Dionys) und die Frauenkirche. Das Dekanat Esslingen, das neben Esslingen auch weitere Pfarreien des Mittleren Neckars und der Fildern umfasst, gehört zur Prälatur Stuttgart.
===== Bestandsgeschichte =====
Das Archiv des Dekanatsamtes Esslingen wurde 1997 vom Dekanatamt an das Landeskirchliche Archiv übergeben. Es handelt sich um Bestände des 19. und des 20. Jahrhunderts, wobei allerdings die umfangreichen Kirchenpflegerrechnungen (ab 1945) an ihrem Standort im Südturm der Stadtkirche verblieben. Auch die Kirchenbücher und die Kirchenkonventsprotokolle verblieben in Esslingen. Bestände aus vorwürttembergischer, reichsstädtischer Zeit befinden sich teilweise im Stadtarchiv Esslingen. Ein Findbuch für die Zeit bis um 1923 wurde im Jahr 1958 durch Ursula Wirth und Irmgard Geiger erstellt. Der damaligen Ordnung lag der seit 1932 gültige Registraturplan für die württembergischen Dekanatämter zugrunde. Um ein zweites Inventar zu vermeiden, wurde der Bestand 2002 von Andreas Butz vollständig mit Hilfe des Datenbankprogramms FAUST erfasst. Dabei wurde das bereits bearbeitete Material keiner neuen Ordnung und Verzeichnung unterzogen, sondern nur mit den neuen Bestellnummern versehen. Die Anordnung des Inventars richtet sich bei den Ortsakten nach der Registraturordnung für die Pfarrämter von 1901 und bei den dekanatamtlichen Akten nach der seit 1932 gültigen Registraturordnung. Bei den Ortsakten wurde in der inhaltlichen Anordnung des Findbuches zwischen der älteren Schicht aus dem Findbuch von 1958 und der neu aufgenommenen Schicht unterschieden. Die Trennungslinie zwischen diesen Abteilungen ist ungefähr 1923, aber nicht ausschließlich. Die zwei Schichten des Dekanatamtlichen Bestands wurden nach dem Registraturplan zusammengeführt, um die Benutzung zu erleichtern.
===== Bestandsbearbeitung =====
Im Zuge der jetzigen Verzeichnungsarbeit wurden Unterlagen nach den Richtlinien des Landeskirchlichen Archivs kassiert. Insbesondere die Erlasse des Ev. Oberkirchenrats wurden dann kassiert, wenn sie von allgemeingültiger Natur waren und keine Relevanz für den Kirchenbezirk oder die einzelne Kirchengemeinde hatten. In den Akten befanden sich relativ viele Fotografien und Plakate, die in die Fotosammlung bzw. die Plakatsammlung des Landeskirchlichen Archivs übernommen wurden. Dies ist jedoch jeweils im Enthält-Vermerk festgehalten. Einige Fotografien, deren Trennung von den Akten nicht sinnvoll erschien, wurden im Bestand belassen. Es fanden sich im Bestand auch Bücher zur Orts- und zur Kunstgeschichte Esslingens, die an die Bibliothek des Oberkirchenrats weitergegeben wurden.
===== Zum Charakter des Bestands =====
Die Akten des Dekanatamtes bieten für die Zeit des Nationalsozialismus interessantes Quellenmaterial. Unter den Akten befindet sich beispielsweise das Konfirmationskärtchen des aus Esslingen stammenden württembergischen Gauleiters Murr, der dieses Dokument anscheinend an das Dekanatamt zurückgeschickt hat, um sein Verhältnis zur Landeskirche sozusagen auf den Punkt zu bringen (Best.Nr. 1109). Weniger prägnant, aber von hohem Quellenwert für den Kirchenstreit sind die Aufzeichnungen des damaligen Stadtvikars Wilhelm Keller zu den diesbezüglichen Ereignissen im Esslingen des Jahres 1934 (Best.Nr. 1105). |