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    L 1 Diakonisches Werk Württemberg

    Vollansicht Bestand

    Signatur: L 1
    Name: Diakonisches Werk Württemberg
    Laufzeit: 1878-2011
    Beschreibung: Zur Geschichte des Diakonischen Werks Württemberg

    Das Diakonische Werk Württemberg hat seinen Ursprung in zwei caritativen Einrichtungen: dem Landesverband der Inneren Mission und dem Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.[1]
    Die Innere Mission wurde 1914 in Stuttgart gegründet und verstand sich als Dachverband und Netzwerk für die bereits im 19. Jahrhundert entstandenen sozial karitativen Initiativen der evangelischen Kinderrettungshäuser, Versehrtenheime und Krankenpflegeeinrichtungen. Die Geschäftsführung des Landesverbands oblag dabei der Evangelischen Gesellschaft, die bereits 1850 eine "Agentur für Innere Mission" mit dem Ziel der Förderung, Koordinierung und Zusammenfassung aller Bestrebungen der Inneren Mission gegründet hatte.[2]
    Das Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg entstand drei Monate nach Ende des Zweiten Weltkrieges im August 1945[3], einen Monat später als das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die "Allgemeine Nothilfe" und der "Kirchliche Wiederaufbau" sollten die Schwerpunkte der Hilfswerkarbeit bilden. Die Versorgungslage der Bevölkerung in den zerbombten Städten war desaströs, ein Mangel an allem, vor allem aber an Nahrungsmitteln und Wohnraum, herrschte. Hinzu kamen die Flüchtlingsströme aus den östlichen Gebieten des ehemaligen deutschen Reichs. Hier war das Hilfswerk gefordert die allgemeine Not zu lindern, was auch tatkräftig mit Wohnungsbau und Siedlungsprogrammen, Organisation von Lebensmittel- und Kleiderspenden angegangen wurde.
    Unter der Ägide des Hilfswerks wurden für Flüchtlinge Kinder- und Jugenderholungsheime sowie Altenheime gebaut. Für junge geflüchtete Erwachsene bestand die Möglichkeit, in sogenannten Aufbaugilden eine neue Heimat zu finden. In den Jungen- und Mädchengilden in Stuttgart, Heilbronn und Calw-Stammheim sollten junge Erwachsene durch ein christlich inspiriertes gemeinschaftliches Leben - in Abgrenzung zum Sozialismus - in die westdeutsche Gesellschaft integriert werden. Der Leiter der Evangelischen Jugendaufbaugilden, Hans Walter Mehlhorn, richtete zu Weihnachten 1961 einen Appell an den Friedensnobelpreisträger Albert Schweizer, sich für geflüchtete Jugendliche aus der DDR und die Überwindung der im August 1961 gebauten Mauer an der deutsch-deutschen Grenze einzusetzen. Das handschriftliche Antwortschreiben Schweitzers mit dem Versprechen, "alles was ich an Einfluß habe, auf Herstellung menschlicherer Beziehungen zu verwenden" ist unter der Bestellnummer 889 einzusehen.
    Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des Hilfswerks war ab 1952 die Organisation der kirchlichen Patenschaft mit Thüringen.[4] Die prekäre Situation der kirchlichen Mitarbeitenden der Thüringischen Landeskirche konnte anhand der Geschenkpakete, gefüllt mit Kleidern, Medikamenten und Lebensmitteln, verbessert werden. Der Paketinhalt wurde vom Hilfswerk bezahlt und von Mitarbeitenden der Landeskirche Württemberg versandt, da kirchliche Einrichtungen nicht als Absender in Erscheinung treten durften.
    Das Hilfswerk weitete sein Spektrum von der Hilfe im eigenen Land auf eine weltweite Hilfe mit der 1959 gegründeten Aktion "Brot für die Welt" aus.
    Ab den 1960er Jahren kümmerte sich das Hilfswerk um Gastarbeiter aus den südeuropäischen Ländern. Neben den italienischen, spanischen und jugoslawischen Gastarbeiter*innen wurden vor allem griechische Gastarbeiter*innen mit Sprachkursen unterstützt und konnten sich in Clubheimen mit sozialpädagogischer Betreuung über die Probleme des Alltags- und Arbeitslebens austauschen.
    Da die Aufgabenfelder von Innerer Mission und Hilfswerk mit ihrer Arbeit am notleidenden Menschen ineinandergriffen, wurde auf EKD-Ebene die Fusion der beiden Werke vorbereitet. Dies wirkte sich auch auf die verschiedenen Landesverbände aus. In Württemberg bildeten die Innere Mission und das Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche zusammen mit dem Evang. Landeswohlfahrtpfarramt ab 1950 die "Arbeitsgemeinschaft der diakonischen Werke in der Evang. Landeskirche in Württemberg"[5]. Nach der Auflösung des Landeswohlfahrtpfarramtes 1953[6] wurde an der Fusion von Innerer Mission und Hilfswerk weitergearbeitet. Unterstützend war hierbei, dass Oberkirchenrat Herbert Keller, der seit Januar 1946 die Hilfswerk-Zweigstelle im französisch besetzten Tübingen leitete, ab März 1950 sowohl die Geschäftsführung der Inneren Mission als auch die des Hilfswerks innehatte. Als Leiter der "Arbeitsgemeinschaft der Diakonischen Werke der Evangelischen Landeskirche in Württemberg" war es Kellers Aufgabe, die beiden großen Werke zu Einem zusammenzuführen. 1970 wurde aus der Inneren Mission und dem Hilfswerk ein gemeinsames Werk, das Diakonische Werk Württemberg. Der Aufgabenbereich wurde in den 1970er Jahren neben den traditionsreichen Arbeitsgebieten der Gemeindekrankenpflege und Altenhilfe ausgeweitet auf die Bereiche der Betreuung von Zivildienstleistenden, Initiierung von Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeitende und der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund.
    Im Bestand des Diakonischen Werks finden sich auch Unterlagen zum "Haus am Sohl" in Neresheim, einem Alten-, Jugend-, und Genesungsheim. Dies wurde von Eberhard Gaier, einem Pfarrer, 1956 gegründet. Gaier initiierte im Haus am Sohl eine "Kreuzbruderschaft", verlor jedoch 1964 "wegen sittlicher Verfehlungen zwischen den männlichen und weiblichen Mitgliedern der Kreuzbruderschaft im Gefolge schwarmgeistiger Frömmigkeit"[7] seine Anstellung bei der Landeskirche. Das Altenheim im Haus am Sohl wurde daraufhin im Oktober 1964 von der Samariterstiftung übernommen.[8]

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    Bestandsgeschichte

    Der Bestand kam im Jahr 1983 in Folge des Umzugs des Diakonischen Werks Württemberg von der Reinsburgstraße 46 in die Heilbronner Straße 180 an das Landeskirchliche Archiv. Eine Nachlieferung erfolgte 1989. Dabei wurden teilweise bereits Bewertungen und Kassationen vorgenommen, die im Ablieferungsverzeichnis vermerkt wurden. Eine Ablieferungsliste wurde 1980 bei der Erstellung einer Altregistratur vom Diakonischen Werk angefertigt. Bis 1988 wurde der Bestand im Außenmagazin Martinskirche gelagert. Der Bestand ist nicht komplett, da frühere Aktenschichten der Inneren Mission während des Zweiten Weltkrieges durch Bombenschaden vernichtet wurden. Die Laufzeit der Akten beginnt daher mit der Nachkriegszeit 1946.
    Die Verzeichnung des Bestandes begann im September 2006 und wurde im Dezember 2019 abgeschlossen. Sechs Mitarbeitende des Landeskirchlichen Archivs waren an der Erschließung der Akten beteiligt. Der Bestand umfasst 117 Regalmeter und 3436 Verzeichnungseinheiten.
    Ein großer Teil der Akten, die sowohl bei der Inneren Mission als auch beim Diakonischen Werk geführt worden sind, umfasst den Bereich des Erziehungswesens bzw. der Heimerziehung. Die Aktenlage ist sehr umfangreich, da alle Kinder- und Jugendheime in evangelischer Trägerschaft Mitglied der Inneren Mission bzw. des Diakonischen Werks waren.
    Dem Bestand des Diakonischen Werks wurde der Teilnachlass von Gotthilf Rupp eingegliedert. Rupp war von 1925 bis 1937 als Hausgehilfe in der Erziehungsanstalt bzw. Kinderheim Lichtenstern als Hausgehilfe angestellt. Aus Privatbesitz wurden aus Rupps Teilnachlass Jahresberichte und Festprogramme aus Lichtenstern an das Landeskirchliche Archiv übergeben und können unter der Bestellnummer 3367 eingesehen werden.
    Die Akten aus dem Bereich Erziehungswesen bieten sich für die historische Forschung und Aufarbeitung der Heimerziehung an.[9] Auch für die Forschungsbereiche Flüchtlingshilfe und Migration und bietet der Bestand zahlreiche Unterlagen.

    Viele Akten wurden mit einer Sperrfrist belegt. Dies betrifft vor allem die Akten der Auswandererberatung der 1990er Jahre nach dem Krieg in Jugoslawien. Generell unterliegen Akten mit personenbezogenen Daten einer Sperrfrist von 120 Jahren nach Geburt bzw. 30 Jahren nach Tod. Einige Sachakten enthalten personenbezogene Daten, die schutzwürdig sind und deshalb teilgesperrt wurden.
    Die in den Akten gefundenen Fotos wurden zum Teil dort belassen, der Großteil jedoch in die Fotosammlung entnommen, Dubletten wurden kassiert. Die in Holzkisten verwahrten Fotografien wurden im Bestand verzeichnet und sind unter der Bestellnummer 3399 bis 3460 recherchierbar. Ein weiterer Teil des Fotobestandes wurde direkt in der Fotodatenbank verzeichnet und kann über diese recherchiert werden.
    Plakate wurden in der Regel dem Bestand entnommen und in der Plakatesammlung verwahrt. Mehrfach vorhandene Plakate wurden kassiert.
    Tonbandaufnahmen, vor allem von Bezirksfürsorgetagungen, aber auch von anderen Tagungen, wurden an das Audioarchiv des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, übergeben und sind dort unter der Signatur Bestand R 30/004 recherchierbar.
    In diesem umfangreichen Bestand befanden sich auch Unterlagen, die nicht archivwürdig sind. So wurden z.B. Mehrfertigungen von Rundbriefen, Einladungen zu Fort- und Weiterbildungslehrgängen, Kontoauszüge und Rechnungsbelege kassiert.
    Die zum Bestand gehörenden Druckschriften, wie z.B. Im Dienst der Liebe, Glaube und Heimat, Evangelisches Sonntagsblatt für Thüringen, Un Saluto dall Italia und viele andere, wurden unter Vermerk der Signatur der Landeskirchlichen Zentralbibliothek übergeben.


    [1] Zur Geschichte des Evangelischen Hilfswerks siehe Dietmar Merz, Das Evangelische Hilfswerk in Württemberg von 1945 bis 1950, Epfendorf 2002.
    [2] Hermann Faber, Fünfzig Jahre Landesverband der Inneren Mission in Württemberg 1914-1964, Stuttgart 1964.
    [3] Merz S. 39.
    [4] Siehe hierzu Karoline Rittberger-Klas, Kirchenpartnerschaften im geteilten Deutschland am Beispiel der Landeskirchen Württemberg und Thüringen, Göttingen 2006.
    [5] Im Dienst der Liebe. Nachrichten aus der Inneren Mission in Württemberg, Nr. 2, 15. April 1950. Dabei wurde der erste Geschäftsführer der Inneren Mission, Oberkirchenrat Herbert Keller, zugleich Hauptgeschäftsführer des Evang. Hilfswerks
    [6] LKAS L 1, Nr. 244.
    [7] Siehe hierzu Karin Oehlmann, Blumhardt-Jünger oder Buttlarsche Rotte - der Skandal um die Kreuzbruderschaft Neresheim, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, Stuttgart 2013, S. 289-314.
    [8] LKAS L 1, Nr. 1342.
    [9] Siehe dazu Inga Bing-von Häfen, Albrecht Daiss, Dagmar Kötting, "Meine Seele hat nie jemanden interessiert. Heimerziehung in der württembergischen Diakonie bis in die 1970er-Jahre", Stuttgart 2017. In diesem Standardwerk wurden unter anderem die Praktikumsberichte der Theologiestudierenden in ihrem kirchlichen Dienstjahr bzw. diakonischen Jahr ausgewertet.
    Umfang: 117 lfd. m
    L 1/2 Diakonisches Werk Württemberg
    L 2 Karlshöhe Ludwigsburg
    L 2/2 Karlshöhe Ludwigsburg
    L 3 Samariterstiftung
    L 3/2 Samariterstiftung (Nachlieferung)
    L 4 Evangelische Gesellschaft
    L 4/2 Evangelische Gesellschaft
    L 5 Martinshaus Altshausen
    L 5/2 Martinshaus Altshausen und Kleintobel, Nachtrag
    L 6 Jugendhilfe Korntal
    L 7 Paulinenpflege
    L 9 Evangelische Jugendheime Heidenheim
    L 10 Zieglersche Anstalten
    L 10/2 Zieglersche Anstalten
    L 10/3 Die Zieglerschen
    L 11 Verein für internationale Jugendarbeit (VIJ)
    L 12 Kinderheim Oberallewinden
    L 13 Kinder- und Jugenddorf Siloah
    L 14 Paulinenstift Friedrichshafen
    L 15 Kinderheim Hochdorf
    L 16 Evangelische Wohnheime Stuttgart
    L 17 Margaretenheim der eva Stuttgart
    L 18 Evangelisches Kinder- und Jugenddorf Tuttlingen
    L 19 Wilhelmspflege Stuttgart-Plieningen- Jugendhilfe aktiv
    L 20 Paulinenpflege Kirchheim u.T.- Stiftung Tragwerk
    L 21 Wächterheim Kirchheim - Stiftung Tragwerk
    L 22 Ev. Kinder- und Jugenddorf Tuttlingen
    L 23 Evangelischer Verein für hilfsbedürftige Kinder
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