Geschichte und Gestalt der Institution
Die Offene Kirche (OK) begann als kirchenpolitische Strömung, die ihre identitätsstiftende Kraft zunächst hauptsächlich aus Kritik an bestehenden Verhältnissen und ihrem Protest dagegen bezog und diese gegen eine Mehrheit zu verteidigen wusste. In ihrer Tradition beruft sich die Offene Kirche auf die Württembergische Sozietät, den radikal-kritischen Flügel der Bekennenden Kirche. Zu den Vorläufern ließe sich auch die Freie Volkskirchliche Vereinigung zählen (s. Bestand K 12 des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart). In einer zunehmend als untragbar empfundenen Spannung zwischen kritischer Theologie und einer Synode, deren dominanter Geist als konservativ, teilweise sogar als fundamentalistisch wahrgenommen wurde, entstand 1968 die "Aktion Kritische Kirche", zu deren inoffizieller Programmschrift Werner Simpfendörfers Buch "Offene Kirche, Kritische Kirche" wurde. Nach dem Rücktritt des Synodalpräsidenten Oskar Klumpp 1969 bildete sich für die kommende Synodalwahl 1971 die "Aktion Synode 71", die schon bei ihrer ersten Wahl über 30% der Stimmen erhielt. Anlässlich der Arbeitstagung im Juli 1972 beschlossen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich unter dem Namen "Offene Kirche - Evangelische Vereinigung in Württemberg" zu formieren. Die Offene Kirche versteht sich als Kirchenpartei. Erster Geschäftsführer wurde Pfarrer Manfred Fischer, gefolgt von Dr. Jochen Vollmer, der das Amt bis 1984 übernahm. Anschließend war Jochen Thomann geschäftsführend tätig. 1993 löste ihn Pfarrerin Eva-Maria Agster als Vorsitzende ab. Nach sechs Jahren kehrte sie als Polizeipfarrerin in den Pfarrdienst zurück und mit Christa Maier-Johannsen wurde eine weitere Frau als Vorsitzende gewählt, die bis 2004 amtierte. Von 2004 bis 2011 stand die Pfarrerin Kathinka Kaden als 1. Vorsitzende der Offenen Kirche vor, abgelöst wurde sie von der Sozialarbeiterin Ulrike Stepper. Im Jahr 1989 gelang es der OK-Gruppe, bei der Wahl der Landessynode zur zweitgrößten Gruppierung zu werden, der Gesprächskreis Lebendige Gemeinde verlor seine absolute Mehrheit. 1995 erreichte die Gruppe der Offenen Kirche bei der Synodalwahl ebenso viele Sitze wie die Lebendige Gemeinde, so dass zeitweilig eine völlig neue Arbeitsgrundlage für die OK möglich wurde. 2001 verlor die offene Kirche als politische Gruppierung allerdings 15 Prozent der Sitze zugunsten des pietistisch-konservativen Flügels in der Landessynode. Seit 2007 konnte sie mit 26 gewählten Synodalen die zweitstärkste Fraktion in der Synode stellen. Neben der OK existieren die Lebendige Gemeinde (LG), Evangelium und Kirche (EuK) und Kirche für Morgen (KfM) als weitere Gesprächskreise. In der weiteren Entwicklung der OK stand aber zunehmend die integrative Funktion dieses Gesprächskreises innerhalb der Synode im Vordergrund. Die Offene Kirche ist als Verein strukturiert. Die Mitgliederversammlungen führen inhaltliche Auseinandersetzungen und treffen entsprechende Beschlüsse. Sie wählen den geschäftsführenden Vorstand und einen Teil des erweiterten Vorstands (Nachfolger des "Leitungskreises"), dem weitere Mitglieder des synodalen Gesprächskreises angehören. Die Offene Kirche gab 1972-1999 die Zeitschrift "Informationen" heraus, 1999-2006 die Zeitschrift "Offene Kirche" und seit seit 2007 die Zeitschrift "Anstöße - kritisch, aktuell, offen". Die Offene Kirche als Gesprächskreis hat sich unter anderem folgende Ziele gesetzt: In verständlicher Weise von Gott und Jesus zu sprechen, ein ökumenisches Denken und Handeln zu fordern und zu leben. Darüber hinaus wollte sie eine Diskussionskultur entstehen lassen und demokratische Strukturen entwickeln. Mit visionären Ideen in der Kirche und als Teil der Gesellschaft möchte die OK Wirkung zeigen.
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Bestandsgeschichte
Der Bestand "K 28 - Offene Kirche" besteht aus vorwiegend bei Mitgliedern der Geschäftsführung, des Leitungskreises bzw. des Vorstands entstandenen Handakten. Die Unterlagen stammen von Eva-Maria Agster, Christian Buchholz (zu der Zeitschrift "Informationen"), Manfred Fischer (vorwiegend Unterlagen zu den Anfängen der OK), Eckart Gundert (Unterlagen aus dem Leitungskreis und Kassenbücher), Hans-Ulrich Nübel, Fritz Röhm, Ruth Schepperlen, Hans-Jürgen Thomann und Jochen Vollmer. Sie wurden im Jahre 2004 dem Landeskirchlichen Archiv übergeben. Drei weitere Ordner wurden dem Bestand im Jahre 2008 hinzugefügt. Ein- und Ausgabenbelege, die mit abgegeben wurden, wurden kassiert. Die vorgefundene Ordnung wurde leicht modifiziert. Der Bestand wurde im Jahre 2012 von Daniel Schuler bearbeitet. Berit Lütjen hat im Oktober 2012 das Bestandsvorwort verfasst. Im Juni 2016 wurde die Bestellnummer 78 dem Bestand hinzugefügt. Der Bestand umfasst 78 Verzeichnungseinheiten aus den Jahren 1966-2003 mit einem Umfang von insgesamt 3,5 lfd. m. Einige Unterlagen können erst nach Ablauf der im Findbuch vermerkten Sperrfristen benutzt werden. Der Erhaltungszustand des Bestands ist gut. |