===== Orts- und Pfarreigeschichte =====
Altshausen war bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts eine Kommende des Deutschen Ordens und fiel 1806 im Zuge der Säkularisation und Mediatisierung zunächst an Bayern und 1810 durch Gebietstausch an Württemberg. Seit dem lebten in der fast ausschließlich katholisch geprägten Gegend auch Evangelische, die sich nun vor allem der Pflege des neu erworbenen Ordensbesitzes annahmen. Ihre Zahl vergrößerte sich stark, als 1839 die Württembergische Zuckerfabrik in Altshausen gegründet wurde, in der fortan viele evangelische Arbeiter und Angestellte ihr Brot verdienten. Auch einige Kaufleute ließen sich nieder. Seit dem fand etwa aller vier Wochen ein evangelischer Gottesdienst in den Räumlichkeiten des Königlichen Schlosses statt, der von Kirchendienern aus Ravensburg betreut wurde, wohin die evangelischen Bewohner Altshausens eingepfarrt waren. 1849 bekam man für die Gottesdienste den Gartensalon des Schlosses zur Verfügung gestellt. 1851 wurde Altshausen der Parochie Schussenried zugeteilt und erhielt von da an aller drei Wochen einen Gottesdienst vom dortigen Pfarrverweser. Durch königlichen Beschluss vom 15. Mai 1855 wurde Altshausen eine eigene Pfarrei, die zunächst noch von einem Pfarrverweser betreut werden sollte und dem Dekanat Biberach unterstellt war. Der neu gegründeten Pfarrverweserei wurden sämtliche Evangelische des Oberamtsbezirks Saulgau zugeteilt. Altshausen war deshalb eng mit ihrer Hauptfilialgemeinde in Saulgau verbunden, die erst 1898 ihre Eigenständigkeit erhielt. Neben der geistlichen und seelsorgerlichen Betreuung oblag dem Pfarrverweser der Volksschulunterricht für die evangelischen Kinder. 1868 richtete man eine evangelische Konfessionsschule ein, die drei Jahre später ein eigenes Schulgebäude erhielt. 1873 wurde schließlich die Pfarrverweserei zur ständigen Pfarrei Altshausen erhoben, die damals mit Saulgau und der Diaspora zusammen 743 Seelen umfasste. Nun wurde auch der Wunsch nach einer eigenen Kirche stärker. Saulgau bekam bereits 1877 ein eigenes Kirchengebäude. In Altshausen konnte drei Jahre später, vor allem durch die finanzielle Unterstützung des Gustav-Adolf-Vereins, der Grundstein für ein Kirchengebäude gelegt werden, das nach den Plänen des Stuttgarter Baurats Berner im neugotischen Stil errichtet und bereits am 30. Oktober 1881 eingeweiht wurde. Es erhielt den Namen "Martinskirche", benannt nach dem Reformator Martin Luther. Ein einschneidendes Jahr für die Gemeinde war 1883, als durch die Initiative des damaligen Pfarrers Leopold zum einen die Arbeiterkolonie "Dornahof" ins Leben gerufen wurde (heute eine Einrichtung für wohnsitzlose Menschen) und zum anderen die Konfirmandenanstalt "Martinshaus" gegründet wurde, die vor allem für evangelische Schüler aus der württembergischen und angrenzenden Diaspora bestimmt war, die daheim keinen evangelischen Religions- bzw. Konfirmandenunterricht erhalten konnten. Die Einrichtung bestand bis 1972. Im Jahr 1895 wurde neben der Kirche ein Pfarrhaus gebaut, das fortan der Pfarrersfamilie als Wohnung diente.
Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts erlebte die evangelische Gemeinde in Altshausen eine Krisenzeit. 1892 stellte die Zuckerfabrik ihren Dienst ein, weshalb viele Gemeindemitglieder Altshausen verließen. Mit der Gründung der eigenen Pfarrei in Saulgau verließen noch einmal viele Menschen die Gemeinde. Das soziale Gefüge wandelte sich stark und die Mitgliederzahl sank zeitweise auf unter 500 Personen. Da sich vor Ort keine größeren Betriebe ansiedelten, bestand ein beachtlicher Teil der Gemeindemitglieder aus Tagelöhnern und Armen, weshalb die sozialen Aufgaben der Pfarrer stark zunahmen. Um dem schwindenden Interesse für die Kirche entgegenzuwirken, richtete man regelmäßige Bibelstunden ein. Zudem wurde 1892 der Jünglingsverein gegründet, den man vier Jahre später im neu entstandenen Evangelischen Arbeiterverein integrierte.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hinterließ der Erste Weltkrieg auch in Altshausen seine Spuren. 1917 musste die Kirchgemeinde zwei Orgelpfeifen und zwei Glocken für Rüstungszwecke abliefern. Neben den sonntäglichen Gottesdiensten wurden nun regelmäßige Betstunden für die Soldaten gehalten. An die Gefallenen erinnerte nach dem Krieg eine Gedenktafel in der Kirche.
Nach Kriegsende bestanden durch Zu- und Abwanderung vieler Familien große erneut soziale Unterschiede in der Gemeinde. Der Gustav-Adolf-Frauenverein und ein Jungfrauenverein wurden gegründet. An den Sonntagen fand von nun an regelmäßig auch Kindergottesdienst statt. Darüber hinaus wurden Winterbibelstunden gehalten. Nach einem Brand wurde das Pfarrhaus in den zwanziger Jahren renoviert. Auch die Kirche wurde im schlichten Stil erneuert, wobei man das Schieferdach durch ein Ziegeldach ersetzte und einige neugotische Elemente entfernte.
Mit Beginn der nationalsozialistischen Zeit wurden auch in Altshausen die evangelischen Vereine, mit Ausnahme des Gustav-Adolf-Frauenvereins, verboten. 1936 wurde die evangelische Konfessionsschule aufgelöst, 1941 auch die Schule des Martinshauses, deren Kinder nun die "Deutsche Volksschule" besuchten. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges mussten 1941 wieder zwei Glocken abgegeben werden. Aus Papiermangel konnten bald keine kirchlichen Zeitschriften mehr gedruckt werden. Weil es an Brennstoff fehlte, fanden die Gottesdienste im Winter im Betsaal des Pfarrhauses statt. Als 1943 das Metall knapp wurde, musste die Gemeinde sogar altes Abendmahls- und Taufgerät sowie einen Messingkronleuchter abliefern. Kriegsbetstunden und Trauergottesdienste waren in dieser Zeit fester Bestandteil des kirchlichen Lebens.
Gegen Ende des Krieges diente vor allem das Martinshaus als Unterkunft für evakuierte Familien und Soldaten. Nach dem Krieg veränderte sich das Bild der Gemeinde erneut, da viele evangelische Flüchtlinge und Vertriebene in Altshausen angesiedelt wurden. Somit stieg die Zahl der Mitglieder rasch an. Bereits im Frühsommer 1945 wurde wieder Religionsunterricht erteilt. Auch die Schulen nahmen nach und nach wieder ihren Dienst auf. Jedoch waren die meisten kirchlichen Gebäude anfangs noch von der Besatzungsmacht belegt. 1953 bekam der Kirchturm zwei neue Glocken mit einem elektrischen Läutewerk. Der Betsaal im Pfarrhaus wurde zu einem Gemeindesaal umgebaut und ein Jugendraum mit einer Bücherei eingerichtet. 1965, bei der erneuten Renovierung des Kirchengebäudes, verschwand die neugotische Ausstattung gänzlich.
In den folgenden Jahrzehnten entstanden wieder neue Gruppen und Kreise innerhalb der Kirchgemeinde, wie die Jugendgruppe und der Kirchenchor, für die der Platz im Pfarrhaus bald zu klein wurde. Deshalb entschloss man sich, ein neues Gemeindehaus im großen Pfarrgarten zu bauen, welches 1984 eingeweiht werden konnte. Schließlich wurde auch das Pfarrhaus renoviert und 1993 die Außenerneuerung der Kirche vorgenommen.
===== Bestandsgeschichte =====
Das Pfarrarchiv Altshausen wurde im Juni 2010 zusammen mit den Unterlagen des Konfirmandenheims "Martinshaus" an das Landeskirchliche Archiv abgegeben. Durch die gemeinsame Lagerung der beiden Bestände im Pfarramt Altshausen trat eine Vermischung des Archivguts ein. Deshalb mussten die Unterlagen hier zunächst einmal von einander getrennt werden, was im Jahr 2012 durch Herrn Hartmann geschah. Er verzeichnete darauf die ersten 132 Bestellnummern. 2014 wurden die restlichen Akten von Herrn Nobis im Rahmen eines Praktikums unter fachlicher Betreuung durch Herrn Fink erschlossen. Er erstellte auch die Klassifikation des Bestandes sowie die Einleitung des Findbuchs. Im Juni 2014 fand die Abschlussredaktion des Archivinventars durch Herrn Fink und Herrn Nobis statt.
Die vorgefundene Ordnung des Bestandes richtet sich im Wesentlichen nach dem Registraturplan für die evangelischen Pfarrämter Württembergs von 1901. Allerdings gab es auch eine Vielzahl an ungeordneten Akten ohne Registraturzeichen. Demnach musste in vielen Fällen erst eine chronologische bzw. thematische Vorordnung geschehen, bevor die einzelnen Akten erschlossen und ein Aktentitel gebildet werden konnte. Somit ist die vorliegende Klassifikation zwar an die Registraturordnung von 1901 angelehnt, aber auch an den Ordnungszustand und die individuellen Gegebenheiten des Pfarrarchivs angepasst.
Der Überlieferungsschwerpunkt bei den Akten liegt auf den Unterlagen zum kirchlichen Vermögen, zur Kirchenpflege und zum kirchlichen Leben der Pfarrgemeinde (siehe Klassifikation). Die verzeichneten Amtsbücher sind zum einen die Kirchenregister (Tauf-, Ehe-, Toten- und Familienregister), die teilweise bereits 1852 beginnen, und zum anderen die Amtskalender der Pfarrer von 1857-1956 (mit Lücken).
Enthaltene Druckschriften wurden dann im Bestand belassen, wenn sie einen direkten Bezug zum Sachgegenstand der Akten haben und somit eine ergänzende Information zu ihnen bilden.
Ausgesondert wurden vor allem allgemeine Rundschreiben des Oberkirchenrates, Druckschriften in mehrfacher Ausfertigung sowie Beilagen zu den Kirchenpflegerechnungen (bis auf ausgewählte Rechnungen einzelner Firmen, Haushaltspläne und Steuerlisten (siehe Klassifikationspunkt C) 2.2.3.).
Insgesamt umfasst der Bestand ca. 5,5 laufende Meter Akten und Bände (236 Bestelleinheiten) und befindet sich in einem guten Erhaltungszustand. Er reicht von der Entstehungszeit des Pfarramtes bis in das Jahr 1999. |