===== Zur Geschichte der Kirchengemeinde Rot am See =====
===== 1. Topographie der Gemeinde Rot am See =====
Zu der Gemeinde Rot am See mit den Gemarkungen Beimbach, Brettheim, Hausen am Bach und Reubach zählen die kleinen Ortschaften Nieder- und Oberwinden, Bemberg und Musdorf. Sie ist im Nordosten des Landkreises Schwäbisch Hall gelegen, und zwar zwischen dem Brettachtal bei Beimbach und der bayerischen Grenze im Nordosten. Die Gemeinde gehört größtenteils zur östlichen Hohenloher Ebene, der sich westlich die Gerabronner Brettach, ein Nebenfluss der Jagst, anschließt. Östlich ragt der Höhenzug des Rothberg-Ramholz-Rückens in die Hohenloher Ebene hinein. In einem Streifen von Künhard, Reubach und Kleinansbach hat sich hier vom Rand der Frankenhöhe eine Kette von Zeugenbergen mit Höhen von knapp 500 m NN erhalten. Die Gesteinsschichten fallen hier stark zur Fränkischen Furche ein, einer vom Neckar bei Pleidelsheim über Mainhardt und Kirchberg an der Jagst bis Nürnberg durchziehenden Senkungszone.
===== 2. Ortskirchengeschichte =====
===== 2.1. Historische Entwicklung ===== Der Ortsname rode geht auf Rodung zurück, der Beiname See auf einen im 14. Jahrhundert bei der Seemühle aufgestauten See, der 1757 trockengelegt wurde. Der vmtl. im Frühmittelalter entstandene Ort konnte sich am Kreuzungspunkt zweier wichtiger mittelalterlichen Verkehrsachsen entwickeln, nämlich an der von Hall nach Rothenburg verlaufenden Salzhandelsstraße und an der von Augsburg nach Frankfurt am Main ziehenden Kaiserstraße. Ursprünglich gehörte rode aufgrund einer Schenkung durch Bruno, des Bischofes von Würzburg, zum Stift St. Gumbert in Ansbach. Der Ort wurde urkundlich erstmals 1139 mit dem Verkauf an Walter von Lobenhausen und somit dem Übergang vom Stift an die Burg Lobenhausen erwähnt. Von den Lobenhausen gelangte er an die Grafen von Hohenlohe, und zwar als 1333 Reinbot von Wollmershausen hohenlohischer Amtmann von Lobenhausen wurde und zusammen mit seinen Brüdern Höfe auch in Winden und Rot erhielt. Im ausgehenden 14. Jahrhundert wurden die Rechte in Rot von Bebenhausen, Hall, Rothenburg und Dinkelsbühl mehrmals verpfändet. 1399 gelangten See, Gericht, Kirchsatz und drei Güter über Johann von Leuchtenberg an den Burggrafen von Nürnberg. Ein Gut und der Zehnte blieben bei den Hohenlohe, wurden aber in der Folgezeit an die von Wollmershausen vergeben und gehörten zu dem nordwestlich von Rot am See gelegenen Rittergut Amlishagen. Die Zollrechte in Rot am See und Musdorf blieben zunächst bei den Hohenlohe und wurden 1698 an Brandenburg verkauft. Die Burggrafen von Rot am See kauften bereits 1376 Güter vom Stift Feuchtwangen und erwarben von 1380 - 1405 die Bebenburg. Ab 1303 hatten auch das Dominikanerkloster und nachfolgend auch Rothenburger Bürger Besitzungen im Raum Rot. Um 1530 waren die verschiedenen Rechte Brandenburg-Anbachs in Rot auf mehrere Ämter verteilt. Vogtei, hohe und niedere Gerichtsbarkeit unterstanden dem Amt Lobenhausen, die Einkünfte der Güter und das Hauptrecht kamen nach Bemberg, die Mühle und der See waren dem Kastenamt Crailsheim zugeordnet. Im 18. Jahrhundert gehörten Güter und Einwohner von Rot zu den genannten brandenburg-ansbachischen Ämtern, aber auch zu dem Klosteramt Anhausen, der Schulpflege in Crailsheim, der Pfarrei und dem Gotteshaus Rot, den Inhabern des Ritterguts Amlishagen und der von Hohenlohe-Kirchberg.
===== 2.2. Zugehörige Ortschaften der Gemeinde ===== Der erstmals urkundlich erwähnte Ort Musdorf ist nordwestlich von Rot am See gelegen und war der Ort, wo alljährlich der Jahrmarkt abgehalten wurde. Der Markt auf der Muswiese brachte den Burggrafen 1434 nicht unerhebliche Einkünfte und hatte bereits zu diesem Zeitpunkt überregionale Bedeutung. Der ältere der beiden Windorte ist vermutlich Oberwinden, weil er an der alten Straße lag, die von Kirchberg nach Rot am See führte. Aus dem zu Bebenberg gehörigen Bauhof entstand der heutige Weiler Bemberg.1534 verkaufte Markgraf Georg von Brandenburg den Hof an den damaligen Schultheißen, als brandenburgisches Lehen ging er 1603 in bäuerlichen Besitz über. Bei Niederwinden lagen mit dem Buschen- und dem Eulenhof zwei abgegangene Höfe.
===== 2.3. Kirche und Reformation ===== 1285 wurde erstmals ein Pfarrer, mit der Glockeninschrift von 1505 erstmals ein Martins-Patrozinium erwähnt, welches jedoch nicht das älteste des Landkreises darstellt. 1453 gehörte die Kirche zum Capitel Crailsheim, 1487 wurde ihr die Filiale Musdorf eingegliedert. Der Zeitpunkt der Einführung der Reformation ist bisher nicht geklärt. Bei der ansbachischen Kirchenvisitation von 1528 wurde bekannt, dass Pfarrer Johannes Kittler zwar seine Magd geheiratet habe, jedoch noch nicht gänzlich der neuen Lehre zugetan sei. Sein Nachfolger, Melchior Wolmershäuser, bis 1533 in Rot, war hingegen sicher protestantisch. 1556 gehörte die Kirche zum ansbachischen Dekanat Crailsheim. Nach Rot wurden auch Künhard und Limbach eingepfarrt.
===== 2.4. Entwicklung der modernen Gemeinde ===== 1803 fiel Rot am See an Bayern, 1810 an Württemberg und wurde dann, ebenso wie Brettheim und Hausen am Bach, als selbständige Gemeinden dem Oberamt Gerabronn zugeteilt. 1830 wurde Reubach durch Abtrennung von Wohnplätzen umliegender Gemeinden gebildet (Reubach, Reinsbürg, Kleinanbach, Künhard und Weikersholz), während Beimbach erst 1850 durch Abtrennung von Gerabronn die Selbstständigkeit erlangte. Mit der Auflösung des Oberamtes Gerabronn wurde das heutige Gemeindegebiet 1938 zuerst dem Landkreis Crailsheim zugeordnet und nach dessen Auflösung 1972 nachfolgend 1973 dem neu gebildeten Landkreis Schwäbisch Hall. Im Zuge der Gemeindereform wurden die Gemeinden Beimbach, Hausen am Bach und Reubach nach Rot am See mit dortigem Amtsverwaltungssitz eingemeindet.
===== Bestandsgeschichte =====
Die historische Überlieferung der Kirchengemeinde Rot am See gliedert sich in die drei Hauptgattungen Bände, Akten (ältere und jüngere Abteilung) und Rechnungsunterlagen. Ergänzt wird der Bestand durch die Archivalien des Krankenpflegevereins und die Akten zum Kindergarten der evangelischen Kirche. Insgesamt umfasst der Bestand 233 Bestellnummern, was 6 laufenden Regalmetern entspricht. In der Zeit von 1610 bis 1947 bis wurden insgesamt 17 Kirchenbücher angelegt, in denen die Pfarrer die stattgefundenen Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen und Sterbefälle registriert haben. Das Taufregister von 1610 ist gleichsam auch das älteste Dokument des Pfarrarchivs. Den zeitlichen Schnitt zur Gegenwart bildet im Prinzip das Jahr 1966, wobei anzumerken gilt, dass das Pfarrarchiv auch viele Akten aus späterer Zeit mit abgegeben hat, um den Bestand, gerade was den Kindergarten betrifft, nicht zu zerpflücken.
Aufgrund des Kirchengemeinderatsbeschlusses vom 11. Mai 2006 wurde das Pfarrarchiv Rot am 27. Juli 2006 dem Landeskirchlichen Archiv zur Verwaltung übergeben. Von Oktober 2009 bis Januar 2010 wurde es von Dr. Anette Pelizaeus im Landeskirchlichen Archiv verzeichnet. Bei der Durchsicht der Archivalien fiel auf, dass die Überlieferung bis einschließlich des 18. Jahrhunderts auffällig groß ausfällt, während demgegenüber diejenige des 19. und des 20. Jahrhunderts, und insbesondere die Zeit des Nationalsozialismus, als eher gering bzw. sehr gering eingestuft werden muss, was wohl historisch zu begründen ist. Hinsichtlich der Verzeichnung gilt darauf hinzuweisen, dass das Pfarrarchiv bereits viermal durchgesehen wurde: Ein erstes Repertorium wurde 1703 - 1715 erstellt, ein zweites stammt aus der Zeit von 1754, ein drittes Verzeichnis enthält die 1808 an die Heiligenadministration Dinkelsbühl abgegeben Heiligenakten und ein viertes Verzeichnis entstand 1992. Die zu verschiedenen Zeiten erfolgte Durchsicht des Pfarrarchivs hatte zur Folge, dass die Archivalien der Aktenbestände erstens nicht immer den zueinander gehörenden Themenkomplexen und zweitens bisweilen mit falschen Registraturnummern versehen wurden. Bei der nun vorgenommenen neuen Verzeichnung des Aktenbestandes hielt man an der historischen Zusammenordnung der Archivalien fest, vergab neue Titel, hielt sich an die gängige Klassifikation und Indexvergabe, so dass die vergebenen Titel nicht immer mit den alten vergebenen Registraturnummern übereinstimmen. Diese Diskongruenz wurde bewusst in Kauf genommen. Die Abschlussredaktion erfolgte Ende Januar 2009 ebenfalls durch Dr. Anette Pelizaeus unter Anleitung von Dr. Bertram Fink, für dessen Unterstützung, auch bei der Einführung in die Verzeichnung, an dieser Stelle herzlich zu danken ist. 2017 wurde ein Nachtrag eingearbeitet. Bis auf die historischen Kirchenbücher können die Archivalien während der Öffnungszeiten des Landeskirchlichen Archivs im Lesesaal eingesehen und erforscht werden. Vereinzelt müssen dabei Sperrfristen beachtet werden. Die Originalkirchenbücher können derzeit online bzw. auf Mikrofilmen im Landeskirchlichen Archiv eingesehen werden.
===== Das Pfarrarchiv als Quelle für die Heimat- und Familienforschung =====
Interessante Einblicke in die Kirchengeschichte des Ortes liefern mehrere Archivalien aus der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts, aber auch noch spätere Dokumente befassen sich mit Ehe- und Taufsachen, also der Problematik von Mischehen und der daraus resultierenden Probleme bei der Taufe der Kinder. Weitere interessante Briefwechsel aus dem Leben der Gemeinde haben die Unruhe der Konfirmanden beim Gottesdienst und beim Konfirmandenunterricht, Überlegungen zum Kirchenausschluss bei Missachtung bzw. Übertretung der Regeln, die Verweigerung oder Zulassung von Trauungen zum Thema. Neben den Quellen zu den Tauf- Konfirmations- und Ehesachen gibt es auch die die Pfarrberichte, die zur Erleichterung des Visitationswesens von Kirche und Schule von den Ortsgeistlichen zwischen 1811 und 1854 verfasst wurden und den Ablauf von Gottesdienst und Schule einschließlich des Unterrichts dokumentieren. Hinsichtlich des Schullebens gilt eine Quelle von 1704 hervorzuheben, in der der Befehl zur Entsendung der schulpflichtigen Kinder von Michaelis bis Ostern erteilt wird. Von ortsgeschichtlichem Interesse sind auch die Verhandlungen bzgl. der Schließung der evangelischen Kirche in Musdorf, die über einen langen Zeitraum hinweg geführt wurden und die Komplexität der Verhandlungsorganisation einerseits und der Kirchenpflege andererseits widerspiegeln.
Die erhaltenen Rechnungsbücher der Heiligen-, Stiftungs- und Kirchenpflege geben uns wertvolle Informationen über die Armenfürsorge und -pflege sowie über das Kirchenvermögen. In den Akten finden sich wesentliche Informationen zur Renovierung der Orgel und der Glocken der evangelischen Kirche sowie des Pfarrhauses, das sogar mehrmals einer Renovierung unterzogen werden musste. Die Beilagen zu den Renovierungsarbeiten ermöglichen einen tiefen Einblick in die örtlichen Handwerksbetriebe, die nicht selten zu großen Firmen aufsteigen konnten.
===== Weitere Quellen ===== - Landeskirchliches Archiv Stuttgart (LKAS), A 29: Bestell.Nr.: 129, 545, 938, 3739, 3741, 3867 - 3874, 3960 - LKAS, A 126: Bestell-Nr.: 2717 - LKAS, Dekanatamt Blaufelden - Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 281 Kirchenvisitationsakten - Staatsarchiv Ludwigsburg, Landwirtschaftsamt Blaufelden: Signatur: FL 615/4 - Staatsarchiv Ludwigsburg, Kameralamt Rot am See: Rechnungen 1810 - 1922, Signatur: F 1/77, F 77 - Gemeindearchiv Rot am See: Kommunale Überlieferung |