========== 1. Zur Geschichte des Evangelischen Landesverbands für Kinderpflege ==========
Der Evangelische Landesverband für Kindertagesstätten wurde 1926 unter dem Namen "Ev. Landesverband für Kleinkinderpflege" in Stuttgart gegründet. Er umfasste im Gründungsjahr 440 Krippen und "Kleinkinderpflegen". Seine Aufgabe sah der Verband vor allem darin, die "Berufstüchtigkeit der Kleinkinderpflegerinnen" durch "Instruktionskurse" zur fördern. Die Schulung der Kindergärtnerinnen und Kinderschwestern, die hauptsächlich aus dem Großheppacher Mutterhaus stammten, bildeten einen Hauptbestandteil der Arbeit. Der erste Vorstand bis 1948 war Stadtpfarrer Hans Theodor Dölker, danach folgte Pfarrer Johannes Esslinger bis 1955. Sein Nachfolger war Pfarrer Ernst Günther, der bis in die 1970er Jahre die Geschäftsführung innehatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg nannte sich der Verband "Evangelischer Landesverband für Kinderpflege". Der Schwerpunkt lag nun auf der Kindergartenarbeit, die einen ungeahnten Aufschwung durch die Militärregierungen erfuhr. Nach der Auflösung der von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) geführten Kindergärten waren nur noch konfessionelle Kindergärten zugelassen. Dies brachte einen Mangel an evangelischen Fachkräften mit sich, die der Landesverband mit regelmäßig stattfindenden Arbeitsgemeinschaften zu beheben versuchte. Dort gaben berufserfahrene Kindergärtnerinnen ihr Wissen an ungeschulte Kindergartenhelferinnen und Berufsanfängerinnen weiter. Der Großteil der Arbeit des Landesverbandes bestand aus regelmäßigen Besuchen der beim Landesverband angestellten "Jugendleiterinnen" (Heidi Weitbrecht, Christine Gietzelt, Elisabeth Drück, Wiltraud Oehler, Elfriede Clement) in den Kindergärten der Dekanatsbezirke. Die langjährigen Jugendleiterinnen - ab den 1970er Jahren als Sozialpädagoginnen bezeichnet - berieten das pädagogische Personal vor Ort, was Raumausstattung, Spielzeugbeschaffung, "Mütterabende" und allgemeine pädagogische Fragen anbelangte. Für die Träger von Kindergärten war der Landesverband, der sich Ende der 1960er Jahre in "Ev. Landesverband für Kindertagesstätten" umbenannte, eine Institution, die beratend beim Bau und Ausstattung von Kindergärten, bei tarif- und arbeitsrechtlichen Fragen und allgemeinen Richtlinien für die Kindergartenarbeit zur Seite stand. Die Qualifizierung von Fachkräften war seit seinem Bestehen ein großer Schwerpunkt in der Arbeit des Landesverbandes. Dazu arbeitete er mit verschiedenen evangelischen Ausbildungsstätten, den Kindergärtnerinnenseminaren - in den 1970er Jahren umbenannt in Fachschulen für Sozialpädagogik - in Herbrechtingen, Stuttgart, Reutlingen, Schwäbisch Hall und Beutelsbach zusammen. Hervorzuheben ist hierbei die traditionsreiche Zusammenarbeit mit der Großheppacher Schwesternschaft, deren Kinderschwestern seit Beginn der Kleinkinderpflege im 19. Jahrhundert eingesetzt waren. Bundesweit war der Landesverband dem Dachverband "Vereinigung evangelischer Kinderpflege in Deutschland" angeschlossen, der Zugang zu neuen Forschungsergebnissen ermöglichte und als Diskussionsforum pädagogischer Fragestellungen diente. Die Fortbildungen und Schulfremdenprüfungen zur Erlangung einer staatlichen Anerkennung für Kinderpflegerinnen und ungelernten Kindergartenhelferinnen verdeutlichen den Anspruch auf qualifizierte pädagogische Fachkräfte in Kindergärten und Kindertagesstätten.
========== 2. Inhalt und Bestandsgeschichte ==========
Die Unterlagen des Evangelischen Landesverbandes für Kindertagesstätten kamen 2009 an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart. Die Überlieferungsbildung beginnt erst 1947, Akten aus der Gründungszeit sind nicht vorhanden, ebenso wenig Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus. Dies könnte dem Umstand geschuldet sein, dass Kindergärten in dieser Zeit weitgehend der NSV zugeführt wurden, da eine kirchliche Trägerschaft nicht erwünscht war und die Arbeit des Landesverbandes somit lahmgelegt wurde. Auch in den allgemeinen Kirchenakten finden sich aus diesem Zeitraum kaum Unterlagen. Den größten Teil des Bestands bildet die Zusammenarbeit mit den Kindergärten. Durch Besuche und reger Korrespondenz mit dem pädagogischen Personal ist der Kontakt in den württembergischen Dekanaten von 1947 bis 1978 gut belegt. Umfangreich sind auch die Unterlagen zu den Arbeitsgemeinschaften, die allerdings vorwiegend aus Anwesenheitslisten, Einladungen und Programmen bestehen. Von 1952-1966 wurde die Korrespondenz mit evangelischen Kindergärtnerinnen in der sowjetisch besetzten Zone gepflegt und somit kann ein guter Einblick in die von der EKD vermittelten Patenschaftsaktion mit Kindergärten in der DDR gewonnen werden. Der Ausbau der Kindergartenarbeit zeigt sich in den 1960er Jahren durch zunehmende Kindergartenneubauten von Kirchengemeinden und Kommunen, die sich in den Anträgen auf Zuschüsse aus dem Landesjugendplan widerspiegeln. Einen Einblick in die veränderte Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse verdeutlichen die Unterlagen zu den Fortbildungen ab den 1970er Jahren, in denen kleine Kindergruppen und mehr Bildungsarbeit statt Bewahranstalt gefordert wird.
========== 3. Erhaltungszustand und Bestandsbearbeitung ==========
Die Unterlagen des Bestandes sind leider in schlechtem Zustand, fast durchgehend ist Rostfraß sichtbar, teilweise sind Blätter geknickt, verschmutzt und stockfleckig. Die Fotos wurden in den Akten belassen, kassiert wurden Rundschreiben des OKR, Rundschreiben des Diakonischen Werks Württemberg und Rechnungsbelege der Jahre 1967 bis 1970. Der Bestand umfasst 10,5 lfd. m mit 261 Verzeichnungseinheiten und wurde von Dorothea Besch von September 2024 bis Februar 2025 bearbeitet. |