Geschichtlicher Überblick
Die "Evangelische Frauenhilfe in Württemberg" wurde 1919 als "Frauenabteilung des Evangelischen Volksbundes" gegründet. Heidi Denzel übernahm im Gründungsjahr das Amt der Geschäftsführerin der Frauenabteilung, die es sich zur Aufgabe gemachte hatte "Frauen über ihre öffentlichen Pflichten zu informieren ... und die Aufgaben der Frau in Haus und Familie zu besprechen" (Bestellnr. 2). Die Frauenabteilung des Evangelischen Volksbundes wurde 1923 Mitglied im neu gegründeten Dachverband evangelischer Frauenvereinigungen "Bund Evangelischer Frauen Württemberg", der späteren "Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg" (Bestand K 6, LKAS). Auf Reichsebene schloss sich die Frauenabteilung des Volksbundes der "Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands" (VEFD) 1927 an. Die VEFD verstand sich als "Trägerin der allgemeinen evangelischen Frauenbewegung" (Kaufmann S. 45), deren Zielsetzung es war, "evangelischen Frauenwillen in der Öffentlichkeit zur Geltung bringen" (Kaufmann, S. 45). Das Vorstandsmitglied der Frauenabteilung des Evangelischen Bundes Württemberg, Mathilde Maisch, war zweite Vorsitzende der VEFD und brachte viele "neue Anregungen" von ihren Vorstandstreffen in Berlin mit (vgl. Ms. Heidi Denzel, Ordn.-Nr. 2). Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 wurde der Evangelische Volksbund aufgelöst. Die Frauenabteilung des Volksbundes änderte ihren Namen in "Evangelische Frauenhilfe" und wurde "die weibliche Seite des Gemeindedienstes und ein Werk der Landeskirche" (Ms. Heidi Denzel, Bestellnr. 2). Im selben Jahr gliederte sich die Evangelische Frauenhilfe Württemberg in die Evangelische Reichsfrauenhilfe ein. Die anfängliche "Hoffnung auf eine Zusammenarbeit mit der nationalsozialistischen Frauenschaft" (Ms. Heidi Denzel, Bestellnr. 2) erfüllte sich nicht. Stattdessen konzentrierte sich die Evangelische Frauenhilfe in der Zeit des Nationalsozialismus auf innerkirchliche Arbeit und schulte ihre Mitarbeiterinnen bei Bibelabenden und Rüstzeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Evangelische Frauenhilfe vor allem ihre soziale Arbeit wieder auf: Müttergenesung, Landfrauenarbeit und die Ausbildung von Dorfhelferinnen standen im Vordergrund. In den 1970er und 1980er Jahren wurden verstärkt frauenpolitische Themen vertreten. So löste z.B. der Weltgebetstag aus Thailand 1980, der über Sextourismus und Zwangsprostitution berichtete, die Gründung eines Fraueninformationszentrums in Stuttgart (1987) aus, das vor allem Frauen aus der Dritten Welt als Anlaufstelle dienen sollte.
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Bestandsbearbeitung
Der Aktenbestand der Frauenhilfe, die sich seit 1991 als "Frauenwerk der Evangelischen Landeskirche" bezeichnet, wurde im Oktober 2006 dem Landeskirchlichen Archiv übergeben, wo er als Depositum K 17 verwahrt wird. Im Rahmen eines Werkvertrags konnte der Bestand von Oktober 2006 bis März 2007 von Dorothea Besch bearbeitet werden. Er umfasst das Verbandsschriftgut von der Gründung 1919 bis zum Jahr 1996. Dabei wurden Unterlagen der verschiedenen Arbeitsbereiche übernommen, ausgenommen davon ist das Schriftgut des Müttergenesungswerkes. Leider sind die Akten aus den 1920er Jahren, in denen das Frauenwerk als "Frauenabteilung des Evangelischen Volksbundes" firmierte, unvollständig, da sie durch Bombenangriffe während des 2. Weltkrieges teilweise verbrannten. Die vorgefundene Ordnung der ca. 50 Ordner wurde beibehalten und nach folgenden inhaltlichen Gruppen zusammengestellt: 1. Organisation und Dienstbetrieb; 2. Verhältnis zu angeschlossenen Verbänden und Vereinen; 3. Verbandsarbeit. Ausgeschieden sind zahlreich vorhandene Mehrfertigungen, wie z.B. Einladungen zu diversen Veranstaltungen. Rechnungsbelege von verschiedenen Honorarzahlungen und Ausgabenbelege von Veranstaltungen wurden ebenfalls kassiert. Der Bestand umfasst ca. 6 lfd.m. Sein Erhaltungszustand ist gut. Teile der jüngeren Akten unterliegen noch einer archivrechtlichen Sperrfrist, die jeweils im Findbuch vermerkt sind. Fotos, Dias, Plakate und (Musikkassetten des Weltgebetstages) wurden den Akten entnommen und in die Fotodatenbank bzw. Plakatesammlung eingegliedert. Mehrere Ausgaben des "Boykott-Rundbrief(s)" zur Apartheidsituation in Südafrika in den 1970-1990er Jahren wurden als Druckerzeugnisse an die Landeskirchliche Zentralbibliothek übergeben. Die Boykott-Rundbriefe gab die "Evangelische Frauenarbeit in Deutschland" heraus. Sie können im Bestand K 6, "Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg" recherchiert werden. In den Jahren 2010, 2015 und 2020 wurde je ein Nachtrag eingearbeitet.
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Charakterisierung des Bestands
Der Bestand K 17 ermöglicht ab 1955-1995 eine nahezu lückenlose Dokumentation der Verbandsgeschichte der Evangelischen Frauenhilfe in Württemberg. Von besonderer Bedeutung sind die Protokolle und Rundschreiben der Reichsfrauenhilfe von 1933-1945. Sie zeigen die Entwicklung von anfänglicher Begeisterung und Kooperationsbereitschaft mit den Nationalsozialisten bis hin zum Rückzug auf eine innerkirchliche Frömmigkeitspraxis. In der Nachkriegszeit konzentrierte sich die Frauenhilfe vor allem auf die Mütter- und Familienarbeit und den Aufbau des Dorfhelferinnenwerks. Die umfangreichen Quellen, unter anderem bestehend aus persönlicher Korrespondenz der Referatsleiterinnen mit den Dorfhelferinnen, geben einen Einblick in das (kirchliche) konservative Frauenbild der 1950er und 1960er Jahre. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Akten zum Weltgebetstag, die seit Ende der 1960er Jahre vorhanden sind. Sie umfassen nicht nur die offiziellen Arbeitshefte und Materialien der Frauenhilfe, sondern darüber hinaus Leserbriefe und kontroverse Diskussionen über die Weltgebetstagsliturgie mit der "Sammlung Bekennender Evangelischer Frauen", die der Ludwig-Hofacker-Vereinigung angehört. |
Ursula Baumann, Protestantismus und Frauenemanzipation, Frankfurt 1992. Christine Busch (Hg.), 100 Jahre Evangelische Frauenhilfe in Deutschland. Einblicke in ihre Geschichte, Düsseldorf 1999. Jochen-Christoph Kaiser, Das Frauenwerk der Deutschen Evangelischen Kirche. Zum Problem des Verbandsprotestantismus im Dritten Reich, in: Irmtraud Götz von Olenhusen, Frauen unter dem Patriarchat der Kirchen. Katholikinnen und Protestantinnen im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 189-212. Doris Kaufmann, Frauen zwischen Aufbruch und Reaktion. Protestantische Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, München 1988. Eva Maria Klein, Heidi Denzel (1883-1975), in: Rainer Lächele / Jörg Thierfelder, Wir konnten uns nicht entziehen. 30 Porträts zu Kirche und Nationalsozialismus in Württemberg, Stuttgart 1998, S. 95-117. Syvia Puchert, Die gute alte Frauenhilfe, in: Arbeitsbuch Frauen in der Gemeinde, Gütersloh 1998, S. 86-94. |