Organisation des Militärkirchenwesens
Die Anfänge des Militärkirchenwesens in Württemberg liegen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1742 wurde erstmals ein eigener Garnisonsprediger für die Stuttgarter Garnisons-gemeinde berufen, die jedoch noch keine formierte Pfarrei darstellte. Dieser Garnisonsprediger unterstand dem Stiftsprediger in Stuttgart. Schon 1721 auf dem Hohenasperg und 1737 in Ludwigsburg waren eigene Garnisonsgemeinden gegründet worden. Der Stuttgarter Garnisonprediger ist ab 1751 zugleich Pfarrer in Heslach. 1806 wurde das Militärkirchenwesen neu organisiert. Für die Leitung der evangelischen Militärseelsorge wurde das Amt eines Feldpropsts geschaffen, dessen Inhaber aber stets der (Ober-)Hofprediger war und als Mitglied des Oberkonsistoriums später den Titel eines Oberkonsistorialrates führte. Er hatte die Aufsicht über die Militärgeistlichen und die eigenständigen Garnisonpfarreien. Neben den erwähnten Garnisonspfarreien in Stuttgart, Ludwigsburg und auf dem Hohenasperg bestanden im Jahre 1806 die Garnisonspfarreien in Ellwangen (seit 1803 bis 1817), Gmünd (bis 1817) und Rottweil (bis 1819). In Oberndorf wurde 1808 eine Garnison stationiert, welche zunächst von der Pfarrei Aisteig aus versorgt wurde. 1820 wurde in Oberndorf eine evangelische Pfarrei errichtet, die dem Feldpropstei-Sprengel zugeteilt wurde. Das seit 1817 bestehende Amt eines Garnisonspfarrers in Comburg wurde durch den Stadtgeistlichen von Schwäbisch Hall ausgeübt. Ab 1818 bestanden sowohl in Esslingen als auch in Heilbronn Garnisonspfarreien, welche im Nebenamt dem jeweiligen Stadtgeistlichen übertragen wurden. 1822 wurde die Verbindung der Garnisonspfarrei Stuttgart mit der Pfarrei Heslach gelöst. Schon 1811 wurde in Ulm eine Garnisonsgemeinde errichtet, welche zunächst bis 1850 als Nebenamt versorgt wurde. 1845 bzw. 1847 entfielen die Garnisonspfarreien in Esslingen und Heilbronn; letztere wurde allerdings 1883 erneuert. Eine grundlegende Veränderung in der Organisation des evangelischen Militärkirchenwesens gab es wieder 1868, als in Folge des Krieges von 1866 der Einfluß Preussens auf die Militärverfassung auch der süddeutschen Staaten zunahm. Durch das württembergische Militärdienstgesetz vom Januar 1868 das Amt des Feldpropsts verselbständigt; es wurde im November 1868 dem Stuttgarter Garnisonsprediger Dr. Thomas von Müller übertragen. Der Feldpropst blieb zwar kirchlicher Amtsträger, verkehrte aber in rein militärischen Angelegenheiten nunmehr direkt mit dem Kriegsministerium, dessen Einvernehmen bei der Anstellung von Garnison-geistlichen künftig erforderlich war. Der Feldpropst hatte die Gesamtleitung des Militärkirchenwesens inne, führte die Geistlichen in ihr Amt ein, übte die Aufsicht aus und visitierte die hauptamtlich besetzten Garnisonspfarreien. 1868 wurde die Garnisonsgemeinde Mergentheim, 1869 die Gemeinde Gmünd errichtet, beide allerdings nebenamtlich versehen. Neu errichtet wurde 1868 eine Garnisonpfarrei in Weingarten, die ebenfalls vom dortigen Ortspfarrer betreut wurde. Zu den Garnisonsgemeinden gehörten sämtliche aktive Militärpersonen und deren Angehörige am Standort. Seit 1836 gab es in einigen Garnisonpfarreien auch Garnisonstiftungsräte, seit 1851 in allen Garnisonpfarreien Pfarrgemeinderäte, die auch in der Diözesan- und Landessynode vertreten waren. Sie waren für die Verwaltung des Kirchenvermögens und die Armenpflege mit zuständig. Zu den Garnisonspfarreien gehörten in der Regel auch Garnisonsschulen, für die meist besondere Garnisonsschulmeister bestellt wurden. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 wurden getrennt von den Garnisonpfarreien besondere Feldgeistliche beider christlicher Konfessionen bestellt, die aus dem Kreis der Zivilgeistlichen genommen wurden und sich in der Regel freiwillig gemeldet hatten. Die evangelischen Feldgeistlichen unterstanden dem Feldpropst, an den sie regelmäßig berichteten, die katholischen Feldgeistlichen offenbar direkt dem Ordinariat in Rottenburg. Im Bereich der katholischen Militärseelsorge gab es keine eigene Organisation. Die katholischen Garnisonsangehörigen wurden meist von den jeweiligen Zivilgeistlichen betreut. Nach 1871 änderte sich zunächst nichts an der Organisation des Militärkirchenwesens in Württemberg, doch geriet Württemberg mehr und mehr unter preussischen Druck in Richtung auf eine Vereinheitlichung nach preußischem Vorbild; es konnte jedoch die eigenständig-zivilrechtliche Militärkirchenorganisation bis zum Ende der württembergischen Armee aufrecht erhalten. Zur Entwicklung nach 1871 im einzelnen siehe Einleitung zum Repertorium des Bestands M 22 des Hauptstaatsarchivs Stuttgarts.
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Bestandsgeschichte
Aufgrund der geschilderten Entwicklung wird verständlich, daß eine eigenständige Aktenführung im Bereich des Militärkirchenwesens allenfalls auf evangelischer Seite erwartet werden darf. Da die katholische Militärseelsorge fast ausschließlich im Rahmen der zivilen kirchlichen Pfarreiorganisation erfolgte, sind entsprechende Akten bei den Pfarreien, Dekanaten und Diözesanstellen zu suchen. Lediglich die katholische Garnisonpfarrei Hohenasperg war bis Ende der 1880er Jahre selbständig, die Pastorierung der Katholiken auf dem Hohenasperg ging aber (zusammen mit der Betreuung der Katholiken des Dorfes Asperg) anschließend auf die Pfarrei von Bietigheim über, wohin wohl auch etwa vorhandene Akten kamen. Auch im evangelischen Bereich dürften die Akten der Militärgeistlichen häufig in die entsprechenden zivilen Pfarr- oder Dekanatsämter gelangt sein; ausgebildete Registraturen sind bisher nur von der Feldpropstei und der Garnisonpfarrei Stuttgart bekannt. Beide führten diese offenbar von Anfang an; wohl schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie nach einem besonderen Registraturplan geordnet. Er sieht für die Feldpropstei eine Gliederung in Fächer vor, von denen folgende bekannt sind (Aktendeckel mit entsprechenden Aufschriften):
Fach 5 - Erlasse
Fach 6 - Amtsinstruktionen für Pfarrer und Vikare - Synodalprotokolle - Erlasse, Manifeste des Königs - Generalia der Ehebehörden
Fach 7 - Confessionelles - Gemischte Ehen, Konfesssionswechsel - Konfirmandenunterricht, Haustaufen
Fach 8 - Statistik, Kirche und Schule - Meldung von Blinden und Taubstummen - Leichenschau, Hebammen - Postsachen - Gratialien
Fach 9 - Gottesdienstordnung - Militärkirchenwesen - Gebetbuch für Soldaten - Gesangbuch - Trauergottesdienste - Bibel-Sachen - Rekruten-Beeidigung
Fach 10 - Feldpropst - Persönliche Stellung, Amtsaufwand, Gehalt - Kasualgottesdienste - Besetzung von Garnisonpfarreien - Kirchenzucht - Urlaubsgesuche, Varia - Pfarrbeschreibung der Feldpropstei - Vasa sacra - Militär-Familien-Register
Fach 11 - Opfer und Kollekten - Besoldungssachen - Witwenkasse - Veränderliche Einkommensteile - Stolgebühren
Fach 12 - Schulsachen - Erlasse, gedruckte - Schulkommission - Arme Schulkinder - Frühere Lehrgehilfen
Fach 13 - Feldkapellen, Feldprediger, Feldvikare - Hauptspital Solitude - Spitalbibliothek 1866 - Parochialbezirke - Landgänger, Invalide, Veteranen - Sträflingsgottesdienste
Fach 14 - Garnisonpfarrei Stuttgart
Fach 15 - Garnisonpfarrei Ulm (mit Wiblingen)
Fach 16 - Garnisonpfarrei Comburg
Fach 16b - Garnisonpfarrei Mergentheim
Fach 17 - Garnisongemeinden Ellwangen, Esslingen, Heilbronn, Oberndorf, Rottenburg, Rottweil
Fach 18 - Garnisonpfarrei Ludwigsburg
Fach 19 - Garnisonpfarrei Hohenasperg
Fach 20 - Garnisonpfarrei Gmünd
Fach 20b - Garnisonpfarrei Weingarten
Ohne Numerierung, aber in der gleichen Weise wurde nach 1871 ein "Fach" angelegt mit der Aufschrift "Der Krieg 1870/71". Die einzelnen Fächer wurden in mehrere Bünde unterteilt, die mit römischen Zahlen durchnumeriert wurden. Die Gesamtsystematik ist, insbesondere für die Fächer bis einschließlich Nr. 13, zum Teil sehr locker. Auch bleiben vor allem aus späterer Zeit eine Reihe von Akten außerhalb dieses Schemas.
Was die Registratur des Garnisonpfarramts betrifft, so sind folgende Signaturen bekannt:
I. 3. Fach - 5. Parochialgrenzen und -verhältnisse
II. 3. Fach - Inventar der Garnisongemeinde
II. 4. Fach - Schulvakanzen - 2. Schullehrerpersonal - 3. Schulhaus - 4. Schulinventar - 5. Schulkinder - 6. Impfscheine - 7. Garnisonschule Stuttgart - 8. Schulmaientag
III.2. Fach - 2. Taufscheine, Auszüge aus Familienregistern, Vaterschaftsanerkennung - 5. Rekrutierungslisten - 6. Halbjährliche Verzeichnisse der unehelichen Kinder
III.3. Fach - Kasualien, Haustaufen - 5. Liturgisches
III.4. Fach - Bibelanstalt und Abgabe von Bibeln - 1. Pium Corpus - 2. Kollekten für Arme und Armenanstalten - 4. Waisenhaus
III.5. Fach - 2. Feldpropsteiliche Erlasse - 4. Ehegerichtliche Verhandlungen - Ehesachen - Dispensationen
In dieses Rubrikenschema wurden jedoch nicht alle Unterlagen der Garnisonspfarrei Stuttgart eingeordnet, insbesondere in späterer Zeit blieb ein erheblicher Teil der anfallenden Akten davon separiert. Die Aktenpläne blieben hingegen bis zum Ende der württembergischen Militärkirchenordnung im Jahre 1920 in Kraft. Die Akten der Feldpropstei und der Garnisonspfarrei Stuttgart wurden im Frühjahr 1920 dem evangelischen Konsistorium übergeben, die Kirchenbücher kamen an das evangelische Kirchenregister nach Stuttgart. Einige wenige Akten des Garnisonpfarramts Stuttgart gelangten offenbar in das 1907 errichtete Kriegsarchiv , wo sie zusammen mit weiteren kirchliche Angelegenheiten betreffenden Akten des Kriegsministeriums den Pertinenzbestand Militärkirchenwesen bildeten, der 1930 ins Staatsarchiv Ludwigsburg kam und von K.O. Müller noch nicht in der Gesamtübersicht von 1937 aufgenommen wurde. Im übrigen wurden die Akten der Feldpropstei und der Garnisonpfarrei Stuttgart im Oktober 1943, nach der Zerstörung des Gebäudes des Evangelischen Oberkirchenrats, dem Heeresarchiv Stuttgart übergeben, wo sie in einem kursorischen Ablieferungsverzeichnis erfasst wurden.
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Bestandsbearbeitung
Im Zuge der Verzeichnungsarbeiten des Bestandes, welche im Hauptstaatsarchiv Stuttgart erfolgten, wurde mit dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart eine Vereinbarung bezüglich einer Trennung des Gesamtbestandes getroffen. Ausgangspunkt hierfür war die Neuorganisation des Militärkirchenwesens in Württemberg im Jahre 1868, als das Amt eines eigenständigen Feldpropstes geschaffen und der Feldpropst in rein militärischen Angelegenheiten direkt dem Kriegsministerium unterstellt wurde. Da es sich bei den Unterlagen aus der Zeit von 1740 bis 1868 um das Schriftgut einer rein kirchlichen Behörde handelt, wurde dieses im September 1994 vom Landeskirchlichen Archiv übernommen. Das Archivgut aus der Zeit nach 1868 wurde hingegen im Hauptstaatsarchiv belassen und bildet dort den Bestand M 22. Aus den ursprünglich über 2000 Einzelbunden des Gesamtbestandes wurden größere Verzeichnungseinheiten gebildet, welche bis auf die Bände und Drucksachen nach Provenienzen geordnet wurden. Neben Akten der Provenienzen Evangelische Feldpropstei, Garnisonspfarrei Stuttgart und Garnisonspfarrei Ludwigsburg befinden sich im Bestand einzelne Schriftstücke der Provenienz Spezialat Ludwigsburg. Die Ordnung des durch das Stichjahr 1868 aufgeteilten älteren Bestandes erfolgte innerhalb der Provenienzen im wesentlichen nach dem oben benannten Rubrikenschema. Ordnung und Verzeichnung des Bestandes Evangelische Feldpropstei wurden durch Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs vorgenommen, die redaktionelle Endbearbeitung erfolgte im Landeskirchlichen Archiv durch Michael Bing. Der Bestand besteht nunmehr bei einem Umfang von ca. 3,5 lfd.m. aus 284 Verzeichnungseinheiten. |