Einleitung
Die einleitende Geschichte des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (ejw) will eine Hilfestellung zur Benutzung des Bestandes K 24 im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart sein. Da es noch keine wissenschaftliche historische Gesamtdarstellung zur Geschichte der evangelischen Jugendarbeit gibt, kann sie nicht die Entwicklung sämtlicher Aufgabenfelder abdecken. Sie kann künftig durch die Erfassung und Auswertung weiterer Archivalien des wachsenden Bestandes K 24 inhaltlich ergänzt werden. Evangelische Jugendarbeit hat den kirchlichen Auftrag, junge Menschen zu Jesus Christus zu führen, damit sie auf der Grundlage des Evangeliums ihr Leben verantwortungsvoll gestalten können. Der Auftrag ist und bleibt durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte hindurch derselbe. Evangelische Jugendarbeit muss sich daher mit den Strukturen und herausfordernden Veränderungsprozessen in Kirche und Gesellschaft stets auseinandersetzen, um diese Aufgabe immer wieder neu erfüllen zu können. Das 19. Jahrhundert war durch tiefgreifende Veränderungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben vieler Menschen geprägt. Besonders in den größeren Städten führte die Industrielle Revolution zu zahlreichen sozialen Problemen; die traditionellen Familienbande lockerten sich und lösten sich gar auf; junge Menschen verließen ihre Heimatgemeinden, um andernorts Arbeit zu suchen oder eine Berufsausbildung zu beginnen. Begleitet wurde dieser fundamentale Wandlungsprozess von einer Liberalisierung des Vereinsrechts. Sie führte zu zahlreichen freiwilligen lokalen und regionalen Vereinsgründungen vieler Menschen gleicher Interessenslage und schließlich zu landes- und bundesweiten organisatorischen Zusammenschlüssen auf den verschiedensten gesellschaftlichen Gebieten.
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1. Das Evangelische Jugendwerk und seine Vorläuferinstitutionen
Mädchenarbeit bis 1934
Vor allem durch die Initiative von Pfarrfrauen oder Diakonissen entstanden an vielen Orten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Anschluss an die Konfirmation evangelische Mädchenkreise. Zu gemeinsamer Bibelarbeit, zum Singen, Spielen, Wandern und Feiern fanden sich Mädchen und junge Frauen in den Kirchengemeinden zusammen. 1868 wurde der erste württembergische „Jungfrauenverein durch Marie Schmidt in Stuttgart gegründet. Auch die offizielle Eröffnungsfeier eines „Marthavereins fand 1880 in Stuttgart statt. Am 27. Januar 1898 wurde der „Bund der Evang. Jungfrauenvereine in Württemberg e.V. mit Sitz in Stuttgart gegründet. Den Vorsitz übernahm Pfarrer Otto Ries; Leiter wurde der spätere Landesbischof Theophil Wurm. Die Anregung zum Zusammenschluss ging von der Evang. Gesellschaft und von der Evang. Diakonissenanstalt Stuttgart aus. Der Bund bzw. die Vereinsarbeit hat sich von Beginn an als kirchliche Arbeit verstanden. Alsbald erfolgte auch der Beitritt zum „Evang. Verband für die weibliche Jugend Deutschlands e.V.. Die Idee zur Gründung des Verbandes im Jahr 1893 stammte von Johannes Burckhardt. Die Verbandszentrale in Berlin erhielt nach seinem Tod 1914 den Namen „Burckhardthaus. Der Bund der Evang. Jungfrauenvereine in Württemberg wurde 1914 in „Evangelischer Verband zur Pflege der weiblichen Jugend Württembergs e.V. und 1919 in „Evangelischer Verband für die weibliche Jugend Württembergs e.V. umbenannt. Laut Satzung hat er den Zweck „im Sinne unserer evangelischen Landeskirche das innere und äußere Wohl der weiblichen Jugend unseres Landes nach Kräften zu fördern. Mitglieder des Verbandes konnten Vereine evangelischer Mädchen sowie Vereinigungen evangelischer Mädchengruppen in Württemberg werden. Diese bildeten die jährlich einberufenen Mitgliederversammlungen, auf der wichtige Beschlüsse gefasst wurden. 1912 hatte bereits die Pfadfinderinnenarbeit in Stuttgart begonnen. Am 8. Oktober 1898 eröffnete Dekan Leypoldt, Vorstand des Stuttgarter Diakonissenhauses, das erste landesweite Jungfrauenfest zum Thema „Vom hohen Adel der christlichen Jungfrau. Schon in den Anfangsjahren waren dem Bund die soziale Hilfe und der Dienst an den verschiedenen Berufsständen wichtig. Auch die Verbindung zur äußeren Mission war vorhanden. Haushaltsgehilfinnen und Arbeiterinnen haben sich zusammengefunden. Anna Baier gründete 1902 den „Tabeaverein für Berufsarbeiterinnen in Heilbronn. Erste Mitarbeiterin auf Verbandsebene neben Pfarrer Wurm war 1908 Berta Schuster geworden. Nach dem Krieg kamen Else Gmelin und Agnes Lumpp als weitere Mitarbeiterinnen hinzu. Wichtige Aufgaben der Zentrale waren Besuchsreisen zu den Mitgliedsvereinen und Mädchenkreisen in den Bezirken, die Vermittlung von Schriftmaterial für die Gruppen- und Bibelarbeit, die Durchführung von Leiterinnenkurse und die Organisation der Landesjungfrauenfeste und der Mädchenfreizeiten. Nach dem Ersten Weltkrieg fand 1924 das erste Landesjungfrauenfest statt. Die erste Mädchenfreizeit konnte 1926 im Jugendhaus Liebenzell durchgeführt werden. Im selben Jahr lud der Verband zu Singwochen ein. Am 11. Juni 1926 wurde vom damaligen Leiter des Verbandes Otto Riethmüller das neuerbaute Jugendhaus Schmie eingeweiht. Die Räumlichkeiten und Parkanlagen des Jugendhauses waren ein idealer Ort für zahlreiche erlebnisreiche Mädchenfreizeiten, Mädchenjungscharfreizeiten, besinnliche Bibelarbeit, Kreativität im musischen Bereich, gemeinsamen Gottesdienst sowie für Geländespiele, Erholung und Feste. Viele Mitarbeiterinnenschulungen für die Gruppenarbeit wurden angeboten. Bis 1933 fanden im Winter halbjährige Haushaltungskurse statt. Später wurden in Schmie auch Bräuterüstzeiten und Pfarrfrauenrüstzeiten veranstaltet. 1928 kaufte der Verband das „Sonnenhaus in Plattenhardt vom Bezirksverband Stuttgart für Wochenendtreffen und Freizeiten. Seit 1930 gab es Erwerbslosenfreizeiten und ab 1932 fanden vier Lager der weiblichen Abteilung des Freiwilligen Arbeitsdienstes statt. Am 1. November 1933 zählte der Württ. Verband für die weibliche Jugend 577 Mädchenvereine und 34 Weggenossinnenkreise mit 18864 Mitgliedern [LKAS K 24, Nr. 60].
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Männliche Jugend bis 1934
Im 19. Jahrhundert waren in vielen Ländern, allen voran in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, christliche Vereine junger Männer entstanden, die sich 1855 in Paris zu einem Weltbund zusammenschlossen und sich auf eine gemeinsame Grundlage stellten, die sogenannte „Pariser Basis: „Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter jungen Männern auszubreiten. Keine an sich noch so wichtigen Meinungsverschiedenheiten über Angelegenheiten, die diesem Zweck fremd sind, sollten die Eintracht brüderlicher Beziehungen unter den nationalen Mitgliedsverbänden des Weltbundes stören. In den deutschen Landen hießen diese Vereine damals „Jünglingsvereine. Bereits 1844 und 1861 waren die ersten Jünglingsvereine in Stuttgart und 1860 in Reutlingen gegründet worden. In einer Zeit des rasanten Wandels boten die Vereine Heimat und geistliche Orientierung für Jugendliche und junge Männer durch gemeinsame Bibelarbeit und gemeinsames Gebet. Es gab zahlreiche Schulungs-, Weiterbildungs- und Sportangebote. Am 20. Januar 1869 schlossen sich im Süden Deutschlands die Jünglingsvereine zum „Süddeutschen Evangelischen Jünglingsbund e.V. zusammen. Im Königreich Württemberg gab es damals 17 Mitgliedervereine mit 600 Vereinsmitgliedern. Die württembergischen Jünglingsvereine standen auf dem Boden der landeskirchlichen pietistischen Gemeinschaftstradition; Jungmännerarbeit sollte missionarisch und diakonisch ausgerichtet sein. Die Anzahl der Mitgliedervereine stieg weiterhin rasch an. 1870 wurden 32 Vereine und 725 Mitglieder gezählt. 1884/85 erfolgten die ersten CVJM-Gründungen im Land. 1890 waren es 195 Vereine und 7900 Mitglieder [LKAS K 24, Nr. 60]. 1881 wurde der erste Posaunenchor des Bundes gegründet und 1901 fand das erste Bundesposaunenfest in Esslingen statt. Die Pfadfinderarbeit bekam 1911 einen festen Platz im Süddeutschen Jünglingsbund und 1920 trat der Bund schwäbischer Schülerkreise ins Leben. Die Anfänge des Sports in der evangelischen Jungmännerarbeit Württembergs reichen in das frühe 20. Jahrhundert zurück. Damals waren Leichtathletik und Leibesübungen die dominierenden Disziplinen. 1921 schlossen sich die regionalen Turngremien der Jungmännerbünde zusammen und das Eichenkreuz, Sinnbild für das Kreuz Jesu Christi und für Sieg und Standhaftigkeit, wurde als einheitliches Symbol eingeführt. In diesem Jahr fand auch das erste Bundesturnfest in Ludwigsburg statt. 1925 zählte der Verband 380 Vereine und 15600 Mitglieder. Damals erfolgte eine Umbenennung in „Württembergischer Evangelischer Jungmännerbund e.V.. 1933 zählte der Jungmännerbund 448 Vereine mit 14000 Mitgliedern über 14 Jahren und 8616 Jungschärlern unter 14 Jahren [LKAS K 24, Nr. 60].
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Jugendarbeit unter dem Hakenkreuz
Laut Abkommen vom 19. Dezember 1933 zwischen dem NS-Staat, vertreten durch Reichsjugendführer Baldur von Schirach, und der Reichskirche, vertreten durch Reichsbischof Ludwig Müller, waren alle Jugendlichen der evangelischen Jugendarbeit unter 18 Jahren in die Hitlerjugend (HJ) bzw. in ihren weiblichen Zweig, den Bund Deutscher Mädel (BDM), eingegliedert worden. Da eine gleichzeitige Mitgliedschaft in einem konfessionellen Verband verboten war, wurden daraufhin die Kirchengemeinden und Pfarrer von der Landeskirche zur Jugendarbeit an den 10 bis 18Jährigen verpflichtet. Mit der Führung der gesamten Jugendarbeit, also der Gemeindejugend in den Pfarreien und den über 18Jährigen im Verband für die weibliche Jugend und im Jungmännerbund, beauftragte die Landeskirche den Landesjugendpfarrer Dr. Manfred Müller. Er war zugleich der Leiter der am 3. Mai 1934 geschaffenen Landesjugendstelle. [Seine Biografie sollte auf der Grundlage noch nicht ausgewerteter Archivalien in anderen Beständen neu geschrieben werden.] Für die Arbeit an der weiblichen Jugend unter 18 Jahren stand ihm Agnes Lumpp zur Seite. Ein Jugendwart und ein Vikar vom Bund der Schülerbibelkreise (SBK) gehörten auch zur Landesjugendstelle. Weibliche und männliche Jugendarbeit waren zwar unter einem Dach vereint, aber altersmäßig willkürlich getrennt worden. Die kirchliche Jugendarbeit war in den Folgejahren zahlreichen Schikanen und Behinderungen durch die HJ und die Gestapo ausgesetzt. Freizeiten wurden aufgelöst und verboten. Trotz aller Kontrollen fand man aber auch bescheidene Wege, kirchliche Jugendarbeit im Sinne des Evangeliums fortzuführen. So erfolgten zum Beispiel von 1940 bis 1944 sogenannte Pfarrhauseinladungen („Paulas). Acht bis zehn Mädchen wurden von der Landesjugendstelle für eine Woche privat zu einer kleinen Freizeit und Bibelarbeit in ein Pfarrhaus eingeladen. Laut einem Abkommen vom 2. Dezember 1940 wurde der Evangelische Jungmännerbund als „Evangelisches Jungmännerwerk in Württemberg e.V. in die unmittelbare landeskirchliche Arbeit übernommen.
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Die Neuordnung der Jugendarbeit 1946. Mädchenwerk und Jungmännerwerk bis 1971
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand unter der Federführung von Dr. Manfred Müller eine Neuorganisation der Jugendarbeit statt. Die Evang. Landesjugendstelle und der Verband für die weibliche Jugend fusionierten zum „Evang. Mädchenwerk in Württemberg e.V.. Diesem Zusammenschluss trat die Vereinigung der Frauen- und Mädchenbibelkreise bei (MBK, ab 1967 Arbeitsgemeinschaft Höhere Schule). Am 17. Oktober 1946 schlossen sich dann das Evang. Mädchenwerk und das Jungmännerwerk unter einer gemeinsamen Ordnung zusammen. Dem Evang. Jugendwerk ist die dauernde Verpflichtung erneut auferlegt worden, junge Menschen zum persönlichen Glauben an Jesus Christus zu führen. Diesen Auftrag erfüllt das Jugendwerk laut seiner Ordnung von 1946 „Selbständig im Auftrag der Kirche. Die Landeskirche verlieh folglich dem Jugendwerk auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens die Freiheit, die Strukturen und Aufgaben der Jugendarbeit an die sich stets wandelnden Bedürfnisse der jungen Menschen anzupassen, und sie mischte sich in die inhaltliche Ausrichtung nicht ein. Die altersmäßige Trennung der Jugendarbeit war aufgehoben worden. Jedoch blieben beide Werke organisatorisch getrennt und wurden von zwei Landesarbeitskreisen geleitet. Die Verbindung zwischen beiden Werken und zur Landeskirche wurde bis zu ihrer Fusion 1971 durch den Landesjugendpfarrer gepflegt. Das Kreuz auf der Weltkugel ist das Symbol des evang. Jugendwerkes. Im Mädchenwerk und im Jungmännerwerk traten fortan mindestens einmal im Jahr die Leiterinnen und Leiter oder Stellvertreterinnen und Stellvertreter der örtlichen Gruppen aus der ganzen Landeskirche zu Arbeitsbesprechungen zusammen. In diesen Versammlungen gaben der jeweils zuständige Landesarbeitskreis und der Leiter des Mädchenwerkes bzw. des Jungmännerwerkes Rechenschaft über ihre Arbeit und Vorhaben. Daraus sind später die Delegiertentage bzw. Delegiertenversammlungen hervorgegangen. 1950 wurde der Jugendkonvent mit jeweils zwei Vertreterinnen/Vertretern aus jedem Kirchenbezirk eingeführt, der bis zur Fusion beider Werke 1971 bei den Planungen der Landesstelle beteiligt war. Der Jugendkonvent konnte Anträge an den Landesarbeitskreis stellen und fungierte als Mittler zwischen den Jugendkreisen und Kirchengemeinden. Die evangelische Jugendarbeit ist bis heute in Altersgruppen eingeteilt, welche durch den Einschnitt der Konfirmation im Leben der evangelischen Jugend bestimmt war. Bei der weiblichen wie bei der männlichen Jugend wurde bei der Neuordnung zwischen Jungschar (10 bis 14Jährige), Mädchen-/Jungenkreis (14 bis 18Jährige) und Mädchenkreis der älteren Mädchen/Jungmännerkreis unterschieden. Die Einteilung in Altersgruppen verschiebt sich in den folgenden Jahrzehnten nur geringfügig um ein, höchstens aber um zwei Jahre. Der Kontakt zu den Bezirken und zu den Jugendkreisen in den Kirchengemeinden wurde auch wieder durch einen Besuchsdienst gepflegt; die Kommunikation landesweit durch Mitarbeiterrundbriefe aufrechterhalten. Rüstzeiten und Schulungen ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Jugendevangelisationen gehörten erneut zu den Angeboten von Mädchen- und Jungmännerwerk. Ein korporativer Anschluss von selbständigen Gruppen oder Vereinen, wie zum Beispiel CVJM/Eichenkreuz, CP (Christliche Pfadfinderschaft) und EMP (Evangelischer Mädchen-Pfadfinderbund), ist 1946 auch wieder ermöglicht worden. Die württembergische Posaunenchorarbeit ist Teil des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg. Zu den Hauptaufgaben beider Werke und ihrer Gliederungen zählten die Vorbereitung und Durchführung landesweiter Veranstaltungen, wie Mädchen-, Jungmänner-, Posaunentage, und Sportveranstaltungen, die bald nach der Neuordnung wieder stattgefunden haben. Mit der Neuorganisation der Jugendarbeit konnten auch bald wieder Freizeiten in eigener Regie auf Gemeinde-, Bezirks- oder Landesebene vom Jugendwerk veranstaltet werden. Freizeiten waren und sind eine zentrale Arbeitsform des Jugendwerks. Jugendliche haben sich für ein bis zwei Wochen in Zelt-Camps, lange Zeit die dominierende Form der Unterkunft, zusammengefunden, um eine unbeschwerte Zeit in der Natur mit Sport, gemeinsam gestalteten Gottesdiensten, biblischen Themen und diakonisch geprägten Aktionen am Freizeitort zu verbringen. Besonders beliebt waren die Landeszeltlager und Aufbaulager der Jungenschaft am Bodensee und im Monbachtal.
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Das Mädchenwerk bis 1971. Aufgabenfelder
Das Mädchenwerk ist beauftragt worden, Mädchen und junge Frauen auf dem Weg zu einem eigenständigen und verantwortlichen Christsein zu begleiten und persönlich zu fördern. So sollten sie auf ihre spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet und zur beruflichen oder ehrenamtlichen Übernahme von karitativen und pflegerischen Aufgaben in Kirche und Gemeinde ermutigt werden. Diesem Ziel dienten die Arbeits- und Organisationsformen des Mädchenwerkes sowie die Unterhaltung seiner Häuser. Zwischen 1946 und 1971 entfalteten sich weitere Arbeitsfelder, die sich insbesondere an der damaligen Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen ausrichteten. Unter der Losung des Mädchentages von 1947 „Dienet dem Herrn mit Freuden wurde auf die besondere Initiative hin von Agnes Lumpp ein „Übungsjahr christlichen Lebens für die weibliche Jugend eingerichtet. Ursprünglich als Vorstufe zur Berufsausbildung gedacht, entwickelte sich daraus alsbald eine hauswirtschaftliche Schulung. Mädchen ab 15 Jahren wurden auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet. Ausbildungsorte waren vor allem die Lern- und Dienstscharheime in Göppingen, Dornstadt, Heilbronn, Ebingen und Bad Schachen. Während einer viermonatigen Heimzeit absolvierten die „Maiden, wie die Schülerinnen später genannt wurden, einen hauswirtschaftlichen Kurs, ergänzt durch biblischen, allgemeinbildenden und musischen Unterricht. An die Prüfung schloss sich nach einer Aussendungsfeier der zunächst zehnmonatige „Maidenhilfsdienst in einer ausgewählten christlichen Hausgemeinschaft an. Die Ausbildung wurde durch eine gemeinsame Rüstzeit abgeschlossen. Die evang. Mädchenausbildungsstätten in Ebingen und Bad Schachen haben sich zu Haushaltungsschulen mit staatlich anerkannten einjährigem Förderlehrgang und Praktikum entwickelt. Um die Verbindung aller Schülerinnen untereinander aufrechtzuerhalten, wurde der Kreis früherer Maiden ins Leben gerufen, der 1998 sein 50jähriges Jubiläum feierte. Im Haus Schmie fanden auch von 1946 bis 1952 Freizeiten für Fabrikarbeiterinnen statt. Den Arbeiterinnendienst hat vor allem Änne Nachtripp geprägt. Mitarbeiterinnen des Mädchenwerkes gingen in die Betriebe, um die jungen Arbeiterinnen zu Zusammenkünften -zunächst monatlich, dann halbjährlich und schließlich nur noch im Advent - in Stuttgart und Schmie einzuladen. In Schmie wurden auch zahlreiche Schulungen für die Leiterinnen der Mädchenjungscharen und Mädchenkreise angeboten. Hier haben sie wichtige Anregungen für ihre Arbeit bekommen. 1955 erfolgte die Gründung der Schriftenniederlage des Evang. Jugendwerks in Württemberg als GmbH. Durch die Herausgabe von Zeitschriften und Informationsblättern, wie zum Beispiel „Nachrichten aus dem Evang. Mädchenwerk, „Unter uns , und die Bereitstellung und Veröffentlichung von Arbeitsmaterialien für die Bibel- und Gruppenarbeit sowie für die Organisation von Freizeiten, wurden der Zusammenhalt und die Verbundenheit der Mitglieder innerhalb des Jugendwerks gefördert und die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten wertvolle didaktische und religionspädagogische Hilfestellungen und Anregungen für die Gestaltung ihres Gruppenprogramms.
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Das Jungmännerwerk bis 1971. Aufgabenfelder
Für die Jungen konnten mit Hilfe des CVJM-Weltbundes sehr bald nach Kriegsende wieder Zeltlager durchgeführt werden. Auf einer dieser Freizeiten ist im August 1946 vom Jugendwart Heiner Völker die Idee einer Jungenschaftsarbeit geboren worden. Wie er später in seiner Schrift „Die neue Straße (1952) darlegen wird, sollte sich die evangelische Jugendarbeit ganz auf die Bedürfnisse des „Durchschnittsjungen der Nachkriegszeit einstellen, „wie er auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen …. zu finden ist und somit von der Botschaft des Evangeliums in seiner Lebensführung noch verhältnismäßig wenig erfasst wurde. Der Wunsch dieses Durchschnittsjungen nach Gemeinschaft als Erlebnis mit Gleichaltrigen sollte seine Verwirklichung in Freizeitunternehmungen und in den wöchentlichen Gruppenstunden finden, die den Rahmen für sein Hineinwachsen in eine persönlichkeitsbezogene Lebensgemeinschaft bildeten. Die Jungenschaft als verbindliche Lebensgemeinschaft hat 1954 ihren inneren Ausdruck in der Verpflichtung des Gruppenmitglieds auf eine gemeinsame Lebensordnung gefunden, die bis Anfang der 70er Jahre in dieser Form lautete: „Als Junge, der den Ruf Christi gehört hat, will ich lernen zu leben: in Wahrhaftigkeit, in Reinheit, in Treue, in Zucht und Ordnung. Hilfe zu solchem Leben soll mir sein: das Hören auf Gottes Wort in der persönlichen Morgenwache, beim Bibelabend der Jungenschaft und in der Gemeinde, die Einordnung in die Lebensgemeinschaft der Jungenschaft durch treuen Besuch ihrer Veranstaltungen, durch Mitarbeit und Opfer an Zeit und Geld. Die Zugehörigkeit zur Jungenschaft wurde nach außen hin bezeugt durch die gleiche Kleidung, Hemd und Schnur, Jungenschaftszeichen. Die Jungenschaftsfahne durfte in den Zeltlagern nicht fehlen. Eine Sonderveranstaltung auf den Jungmännertagen, die Stunde der Jungenschaft, führte die Jungenschaftler des Landes zusammen. Nach 1946 haben die Mannschafts- und Ballsportarten im Eichenkreuzsport einen immer stärkeren Zulauf erfahren. Turniere und Spielrunden werden seit den 50er Jahren ausgetragen. Großer Beliebtheit erfreuten sich dabei die Indiaca- und Handballmeisterschaften. Die Leichtathletik, insbesondere verschiedene Laufdisziplinen, konnte aber ihre Bedeutung erhalten. Vervollständigt wurde das Angebot durch zahlreiche Skikurse und Skifreizeiten. Einen Höhepunkt stellten die Landessportfeste/Eichenkreuztage dar. Hier traf sich jährlich die sportbegeisterte evangelische Jugend an verschiedenen Orten, um sich im fairen Wettkampf zu messen und um ihre Freude am Sport zu bezeugen. Nach der Fusion 1971 ist auch der Mädchensport offiziell eingeführt worden. Zuvor gab es Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten in den Mädchenkreisen der Kirchengemeinden. Bereits 1946 hat wieder ein Landesposaunentag in Ulm stattgefunden. Seitdem bilden alle zwei Jahre die Posaunenchöre beim Landesposaunentag den größten „Posaunenchor der Welt unter dem höchsten Kirchturm der Welt. Posaunenchöre ergänzen bis heute die musikalischen Klänge der Evangelischen Kirche Gemeindegesang, Chor und Orgel. Im Dienst von Evangelium und Mission veranstalten die Posaunenchöre traditionell Konzerte, wirken mit bei Gemeinde- und Bezirksveranstaltungen, bei Gottesdiensten in Krankenhäusern und Altersheimen, sie begleiten Freude und Trauer bei Feiern und Beerdigungen. Die Jungbläserausbildung erfolgt traditionell durch ehrenamtliche Chorleiterinnen und -leiter in den Gemeinden und Bezirken. Besondere Aufgabenbereiche waren die Mitwirkung bei der Camping Mission für Urlauber am Gardasee im Auftrag des Außenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland seit ca. 1960, zahlreiche Konzertreisen, auch in ferne Länder wie Südafrika, und die Posaunenfeierstunde auf den Jugendtagen. Ein weiteres Aufgabenfeld des Jungmännerwerkes waren die Betreuung von Lehrlingen in den Wohnheimen in Stuttgart und Ulm sowie von Wehrpflichtigen in den Soldatenheimen Ludwigsburg, Großengstingen, Sigmaringen, Meßstetten, Münsingen und Ulm, die als Freizeit- und Begegnungsstätten dienten.
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Die Fusion 1971
Die 1960er-Jahre waren eine Umbruchszeit in Gesellschaft und Kirche. Bisherige Strukturen und Geschlechterrollen hatten ihre Selbstverständlichkeit verloren. So wurde auch der Wunsch nach koedukativer Gruppenarbeit in den Bezirken immer lauter, nachdem gemischte Freizeiten, Schulungen und Bezirkstreffen bereits stattgefunden hatten. Jungmännerwerk und Mädchenwerk lebten bisher nach derselben Ordnung, aber in einer geschlechtergetrennten Organisation nebeneinander, verbunden durch Landesjugendpfarrer und Geschäftsführer. Ängste um die Verwässerung der eigenen Identität wurden beim Thema Koedukation laut. Auf Seiten des Jungmännerwerks sorgte man sich um die Bewahrung der pietistischen Prägung und das Mädchenwerk befürchtete gar, vom Jungmännerwerk dominiert zu werden. Eine Zusammenlegung beider Werke bedeutete objektiv die strukturelle Bildung gemeinsamer Gremien und subjektiv das gemeinsame Handeln beider Geschlechter in diesen Gremien, in Gruppen und Kreisen und bei Veranstaltungen. Am 16. Dezember 1967 wurde eine Kommission mit dem Ziel gebildet, neue Ordnungen und Modelle für die Landes-, Bezirks- und Ortsebene zu entwerfen. Drei Modelle einer Neuordnung konnten am 6. Juni 1970 der Delegiertenversammlung des Jungmännerwerkes vorgestellt werden. In der Folge wurde eine neue Ordnungskommission unter dem Vorsitz von Dr. Manfred Müller und Dr. Blind gebildet. Der Entwurf einer neuen Ordnung wurde im September 1970 allen Bezirken und örtlichen Gruppierungen des Mädchenwerkes und des Jungmännerwerkes zugeschickt. Anregungen und Änderungsvorschläge gingen daraufhin bei der Ordnungskommission und den beiden Landesarbeitskreisen ein. Schließlich nahmen am 5. Juni 1971 die Delegiertenversammlung des Mädchenwerks und am 6. Juni 1971 die Delegiertenversammlung des Jungmännerwerks die Ordnung des neuen Evangelischen Jungendwerks in Württemberg an, die am 1. Oktober 1971 in Kraft trat. Hier Auszüge aus der neuen Ordnung, die die Ordnung von 1946 bestätigt und zugleich weiterentwickelt:
§ 2 (1) Das Besondere der evangelischen Jugendarbeit besteht in ihrem Verkündigungsauftrag. Dieser hat seinen Grund und seinen Inhalt im Werk und Leben des geschichtlichen Jesus von Nazareth und seiner Auferweckung durch Gott. Dadurch ist für das Evang. Jugendwerk in Württemberg die dauernde Verpflichtung gegeben, jungen Menschen zum persönlichen Glauben an Jesus Christus und zur Bewährung dieses Glaubens in den vielfältigen Aufgaben unserer Welt zu helfen. (3) Das Evang. Jugendwerk arbeitet selbständig im Auftrag der Evang. Landeskirche in Württemberg. § 3 Das Evang. Jugendwerk ist in Bezirke gegliedert. § 5 Organe des Jugendwerks sind: a) Die Delegiertenversammlung b) Der Hauptausschuss c) Der Vorstand. § 16 Das Evang. Jungendwerk in Württemberg ist über den „CVJM-Gesamtverband in Deutschland e.V. Evang. Jungmännerwerk Mitglied im YMCA Weltbund und über die „Evangelische weibliche Jugend Deutschlands Burckhardthaus e.V. Mitglied im YWCA-Weltbund. Der Vorsitzende des Evangelischen Jugendwerkes in Württemberg ist demzufolge kraft seines Amtes zugleich Landesvorsitzender der Gliederung des CVJM im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg, das Jugendwerk Mitglied im CVJM-Gesamtverband. Aus diesen Mitgliedschaften leiteten und leiten sich auch verschiedene Aufgabenbereiche ab. So wurde bereits bei der 100-Jahresfeier des CVJM-Weltbundes 1955 die 1%-Gemeinschaft gegründet. Damals verpflichteten sich junge Männer, 1% ihres Einkommens für andere zu geben. Die Verwendung der Gelder im Jugendwerk in Württemberg lag in der Verantwortung des Arbeitskreises Weltdienst. Im Rahmen des CVJM-Weltdienstes war das Jugendwerk bereits in den sechziger Jahren für die Bruderschaftsarbeit in Nigeria zuständig. Später kam der Südsudan hinzu.
Das Jugendwerk bietet weiterhin die Möglichkeit zur Mitgliedschaft für Verbände an. Die Christliche Pfadfinderschaft (CP) hat sich aufgrund eines Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1969 zu einem Bund für Jungen und Mädchen erklärt. Die CP-Württemberg setzte tatkräftig dabei diesen Beschluss um. 1973 fusionierte die CPD mit dem Evangelischen Mädchen-Pfadfinderbund (EMP) und dem Bund Christlicher Pfadfinderinnen (BCP) zum Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP). Der CVJM-Landesverband in Württemberg hat am 6. Oktober 1970 beschlossen, die Arbeit mit Mädchen und koedukativen Gruppen in sein Programm aufzunehmen. Im Jubiläumsjahr 1986 blickten Referentinnen und Referenten des Jugendwerkes auch auf ihre Erfahrungen mit der Koedukation in den Gremien zurück. Hier eine Auswahl der damaligen Äußerungen [LKAS K 24, Nr. 1710]:
Männliche Stimmen: „Wir Männer können den Frauen und uns helfen, wenn wir sie als Frauen und uns als Männer ernster nehmen und unsere gegenseitigen Verunsicherungen zur Sprache bringen. „Es geht nicht ums Dominieren im ejw, sondern ausschließlich um die Frage: Wo sind entsprechende Gaben für entsprechende Aufgaben? „Wir sehen keinen Grund zu großen Veränderungen und begrüßen sehr die Mitarbeit von Frauen und Mädchen. „Die alten Befürchtungen aus der Fusionszeit sind aber nicht eingetroffen. Offen ist für mich die Frage, ob Frauen sich weniger für abstrakte Führungsaufgaben und mehr für menschenbezogene Gruppenaufgaben interessieren.
Weibliche Stimmen: „Eine Befürchtung war, daß im Bereich der Strukturen und der Arbeitsformen die Männer das Übergewicht bekommen, d.h. z.B., daß das sogenannte „sachorientierte Arbeiten bestimmend wird, während der personenorientierte Aspekt vernachlässigt bzw. übergangen wird, - oder daß die Dinge „durchgezogen werden, ohne Rücksicht darauf , ob die „Seele mitkommt (wodurch man dann ständig emotionale Reste hat). „Formal haben die Frauen und Mädchen z.T. schon einen Platz, und sie werden auch aufgefordert, ihn wahrzunehmen aber sie müßten dann in ähnlicher Weise reden, handeln, sich verhalten wie die Männer, damit sie ihn ausfüllen können…… Anders werden müßte um unser aller Willen dies: wir sollten miteinander lernen, zu einer besseren Balance zu kommen, damit der ganze Mensch in unserer Arbeit vorkommt. „Daß die Frage diskutiert werden muß, zeigt, daß die gemeinsame Arbeit zwischen Frauen und Männern auch im ejw noch nicht ganz selbstverständlich ist. Durch Forderungen ist hier nichts zu ändern, hoffen wir, daß manches noch wächst. Allerdings sollte man fragen: nicht was, sondern wer müßte anders werden?
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Das Evangelische Jugendwerk bis zur Reform der Landesstelle 1992. Aufgabenbereiche
Die Gruppenarbeit mit 13-17jährigen Jungen und Mädchen ist zum Hauptort der Koedukation geworden. Hier sollten und sollen die Jungen und Mädchen den partnerschaftlichen Umgang miteinander lernen. Die Verantwortlichen in einer Gemeinde und in einem Verein prüfen, welche Gruppe die Jugendlichen brauchen. Die Leitung einer koedukativen Gruppe stellte und stellt besondere Anforderungen an die Leiterinnen und Leiter, die deshalb den Rückhalt in der Kirchengemeinde und im Mitarbeiterkreis brauchten und brauchen. Jungen- und Mädchenarbeit bleiben aber auch parallel weiterhin eigene Arbeitsbereiche im Jugendwerk sowie die Junge Erwachsenenarbeit. Auf dem Gelände des Sport- und Freizeitheimes Kapf im Nordschwarzwald haben Mädchenfreizeiten und im Freizeit- und Schulungszentrum Dobelmühle koedukative Freizeiten stattgefunden. Mit dem Zusammenschluss beider Werke 1971 rief das Jugendwerk im zweijährigen Rhythmus gemeinsame Jugendtage als zentrales landeskirchliches Jugendtreffen ins Leben. Seit 1979 hatte der Jugendtag seinen festen Ort in Stuttgart. Die Jugendtage boten Raum, jugendliches Lebensgefühl und jugendlichen Glauben zu präsentieren. Hier meldete sich die evangelische Jugend in Kirche und Gesellschaft zu Wort. Jeder Jugendtag hatte seine eigene Losung, die den Jugendlichen eine individuelle Handlungsperspektive im Glauben an Jesus Christus anbot. Gleichzeitig konnten die Jugendlichen die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft intensiv erfahren. Am 1. Januar 1975 wurde die Evangelische Jugend auf dem Lande (ejl) korporatives Mitglied beim Evangelischen Jugendwerk. Für die Gestaltung und Durchführung von erlebnispädagogischen Freizeiten sowie von Jugend- und Studienreisen sind 1976 die CVJM Reise GmbH und später ejw Reisen gegründet worden.
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2. Der Bestand
Am 10. Juni 2010, am 26. Juni und 25. Juni 2013 sowie am 16. März 2018 wurden Archivbestände des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart abgegeben. Der Bestand K 24 Evangelisches Jugendwerk in Württemberg e.V. umfasst die bisher erschlossene Überlieferung der Landesstelle und ihrer Vorgängereinrichtungen seit der Entstehung der Jungfrauen- und Jünglingsvereine im 19. Jahrhundert bis ca. 2010. Zahlreiche Archivalien des Jungmännerbundes sind mit der Zerstörung des Stuttgarter Bundeshauses in der Bombennacht des 12./13. September 1944 vernichtet worden. Die Archivalien wurden von Dr. Bertram Fink von 2010 bis 2020 im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart erschlossen. K 24 ist ein wachsender Bestand mit 3142 Bestellnummern (Mai 2021). Ein Teil des Archivs war schon einmal summarisch verzeichnet (Titelaufnahmen) und klassifiziert worden (Periodika - Freizeiten - Chronik - Gremien - Referate). Im Unterschied zur ersten Verzeichnung wurde beim Neuaufbau des Archivs zwischen Archiv- und Bibliotheksgut unterschieden. Die Bücher und Zeitschriften wurden der Landeskirchlichen Zentralbibliothek zur Verwahrung und Katalogisierung übergeben. Des Weiteren wurde die Mehrfachüberlieferung beseitigt. Es wurden lediglich einzelne Rechnungsbeilagen ausgeschieden; die Unterlagen zu den Häusern und Bauprojekten wurden aber einschließlich aller Rechnungsbelege vollständig archiviert. Bei der Neuverzeichnung sind alle vorhandenen Archivalien vertieft erschlossen worden (Titelaufnahme, Umfang, Enthält-Vermerk, Laufzeit). Bei vielen Fotos fehlten allerdings die Datierungen; auch sind oftmals die Fotografen nicht genannt worden. Viele Bestellnummern, insbesondere der jüngsten Überlieferungsschicht, mussten mit zum Teil sehr langen Sperrfristen für die externe Benutzung versehen werden, da sie Personenstandsdaten lebender Personen enthalten. Das Archiv des Evangelischen Jugendwerks ist zunächst chronologisch nach strukturellen Veränderungen und Einschnitten gegliedert worden. Von den Anfängen bis zur Fusion 1971 wird zwischen einer (I.) weiblichen und einer (II.) männlichen Jugendarbeit unterschieden. Bei der weiblichen Jugend wurde dieser Zeitabschnitt in Bund der Evangelischen Jungfrauenvereine und Verband für die weibliche Jugend in Württemberg e.V. bis 1934, Landesjugendstelle 1934 bis 1946 und Evangelisches Mädchenwerk in Württemberg bis 1971 unterteilt (I.) ; bei der männlichen Jugend analog in Süddeutscher Evangelischer Jünglingsbund und Württembergischer Evangelischer Jungmännerbund bis 1934, Landesjugendstelle bis 1946 und Evangelisches Jungmännerwerk in Württemberg bis 1971 (II.). Es folgen 1971 die Fusion von Mädchen- und Jungmännerwerk zum Evangelischen Jugendwerk in Württemberg e.V. (III.); Das Evangelische Jugendwerk in Württemberg bis zur Neuordnung der Landesstelle 1992 (IV.); Die Neuordnung der Landestelle 1992 (V.) und schließlich (VI.) Das Evangelische Jugendwerk seit 1992. Die letzte Schicht beinhaltet lediglich die Überlieferung an Schriftgut und anderen Informationsträgern, die für die aktuelle Arbeit im Jugendwerk nicht mehr gebraucht werden. Wo die Schutzfristen für unveröffentlichte Unterlagen noch nicht abgelaufen sind, mussten die Bestellnummern für die Benutzung gesperrt werden. In der Hierarchie der Klassifikation folgen die Hauptgattungen und Sammlungen: Bände, Akten und Rechnungsunterlagen; Nachlässe; Fotoarchiv; Plakatesammlung; Museale Sammlung; Bild- und Tonträger (siehe hierzu auch 3.), die ihrerseits nach den jeweiligen Organen/Gremien und Aufgabenbereichen unterteilt sind. Einen Überblick über die zahlreichen Aufgabenbereiche bietet das vorliegende Findmittel. Aus konservatorischen Gründen werden Fotos, großformatige Plakate und das Museumsgut im Fotoarchiv, in der Plakatesammlung und der musealen Sammlung des Landeskirchlichen Archivs aufbewahrt und führen deshalb eine entsprechende Standortsignatur. Besonders hervorzuheben sind die Protokollbände der verschiedenen Leitungsgremien und der Delegiertenversammlung, die Überlieferung zu den verschiedenen Freundeskreisen und zur Unterhaltung von Häusern/ zur Förderung des örtlichen Besitzes und in diesem Zusammenhang zum Verein zur Förderung des Evangelischen Jugendwerkes in Württemberg e.V; außerdem die Korrespondenz zwischen der Landesstelle und den Bezirken, die Überlieferung zur Bruderschaftsarbeit, zu den Sport- und Freizeitveranstaltungen und zur Unterstützung der Jugendarbeit in der DDR und Thüringen, die Sammlung der Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg an den Landesjugendpfarrer Manfred Müller, sämtliche Fotografien vor 1934 und die Fotoalben zu den Mädchen-, Jungmänner- und Jugendtagen. Der Bestand K 24 stellt die archivalische Grundlage zur Rekonstruktion der Geschichte der Evangelischen Jugendarbeit, zur Jugendseelsorge und Evangelisation von Jugendlichen in Württemberg seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar. Er ist unverzichtbar für die Erforschung der facettenreichen evangelischen Jugendkultur und ihrem Wandel in Württemberg sowie für Studien zu den sozialen Rollen der Geschlechter und ihres Verhältnisses zueinander. Die Archivalien können unter Beachtung der Sperrfristen und der Öffnungszeiten im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart eingesehen werden.
Stuttgart, im Mai 2021 Dr. Bertram Fink
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3.Schallplatten, Tonbänder und Audiokassetten
Technische Qualität und inhaltlicher Wert der Aufnahmen
Die Aufnahmen auf den Schallplatten sind professionelle Aufnahmen mit entsprechender Qualität. Die Qualität der Aufnahmen auf den Tonbändern und Audiokassetten ist in den meisten Fällen recht gut, wenn auch einige Aufnahmen Rauschen aufweisen. Lediglich die Informationsverluste, die durch die Bandwechsel entstanden sind (der Sprecher hat meist keine Pause deswegen gemacht) oder aus anderen Gründen abgebrochene Aufnahmen, mindern diese Qualität. Die Aufnahmen stellen eine wertvolle Ergänzung zur schriftlichen Überlieferung des EJW dar. Sie ermöglichen nicht nur einen hörbaren Einblick in die Arbeit des EJW bzw. seiner Vorgängerorganisationen, sondern überliefern außerdem seltene, wenn nicht sogar einzigartige Tondokumente (z.B. Predigten, Vorträge) der damaligen Landesbischöfe und anderer prominenter Personen der Landeskirche der der EKD.
Digitalisierung und Bearbeitung
Die Tonbänder wurden mit dem Tonbandgerät „Otari MX-5050, die Schallplatten mit dem Schallplattenspieler „Soundmaster PL875USB und die Audiokassetten mit dem Doppelkassettendeck „TEAC W-890RMKII abgespielt. Die analogen Audiosignale wurden jeweils mit der externen Soundkarte „Focusrite Scarlett 2i2 in digitale Audiosignale umgewandelt, die dann am PC mit dem Audioeditor „Audacity (Version 2.3.2) aufgezeichnet und als Audiodateien abgespeichert wurden. Die Aufnahmen auf den Tonbändern waren meist auf einer Spur aufgezeichnet worden - auch Musik und Gesang -, so dass ein Tonband bis zu vier unterschiedliche Spuren haben kann. Dementsprechend können pro Tonband bis zu vier in Mono gespeicherte Audiodateien vorliegen. Häufig ist aber nur eine Spur bespielt. In einem Fall (Nr. 2665) mussten die Audiodateien wegen unterschiedlicher Aufnahmerichtung weiter aufgeteilt werden, so dass sechs Audiodateien vorliegen. Audiodateien von Tonspuren, die mehrere Aufnahmen enthalten, wurden nicht weiter aufgeteilt. Das Tonbandgerät konnte die Tonbänder mit einer Bandgeschwindigkeit von 9,5 cm/s oder 19 cm/s abspielen. Tonbänder, die Aufnahmen mit geringerer Aufnahmegeschwindigkeiten enthalten, wurden mit 9,5 cm/s abgespielt. Tonbänder, die Aufnahmen mit einer Aufnahmegeschwindigkeiten von 9,5 cm/s enthalten, wurden aus Zeitgründen mit 19 cm/s abgespielt. Vorherige Tests ergaben, dass dadurch kein Qualitätsverlust entsteht. Bei Tonbändern, die mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Aufnahmegeschwindigkeiten enthalten, wurden die Abspielgeschwindigkeit so gewählt, dass die Tonbänder höchstens doppelt so schnell wie die Aufnahmegeschwindigkeiten bzw. mindestens halb so schnell abgespielt wurden. Die Aufnahmen auf den Schallplatten sind in Stereo, die Audiodateien sind dementsprechend ebenfalls in Stereo. Die Schallplatten wurden mit der auf den Schallplatten angegeben Geschwindigkeit abgespielt. Die Aufnahmen auf den Audiokassetten sind in Stereo. Da sie jedoch nur Sprache enthalten, wurden die Audiodateien zwecks Speicherplatzeinsparung in Mono abgespeichert. Hiervon ausgenommen ist die Audiokassette mit der Verzeichnungsnummer 2634. Da sie nur Musik enthält, wurde die entsprechende Audiodatei in Stereo abgespeichert. Die Audiokassetten wurden mit normaler Bandgeschwindigkeit abgespielt. Bei allen Audiodateien wurde vor dem endgültigen Abspeichern im Archivformat die Geschwindigkeit so angepasst, dass die Audiodateien im Ganzen normal abgespielt werden können. Außerdem wurden die durch den Digitalisierungsvorgang bedingte Stille am Anfang und am Ende der Audiodatei sowie die durch den ursprünglichen Aufnahmevorgang bedingte Stille und Geräusche ohne Informationsgehalt (z.B. Gemurmel, Geräusch von aufstehenden Menschen, Applaus) am Anfang und am Ende entfernt. Eine weitere Bearbeitung (z.B. Entfernen von Rauschen) der Audiodateien fand nicht statt, außer es ist ausdrücklich in den Verzeichnungsinformationen der jeweiligen Verzeichnungseinheit angegeben. Die Aufnahmen wurden mit einer Abtastrate (Samplerate) von 48 kHz und einem Abtastformat (Audio-Wortlänge) von 24 bit digitalisiert. Die Audiodateien sind im Archivierungsformat FLAC (Free Lossless Audio Codec, Encoder-Bibliothek libFLAC 1.3.1) abgespeichert. In den Metadaten der FLAC-Dateien ist lediglich im Kommentar das Archiv, die Bestandssignatur und die Nummer der Verzeichnungseinheit gespeichert. Die Dateinamen für die Tondokumente von den Tonbändern wurden entsprechend folgendem Beispiel gebildet: LKAS_K-24_Nr-2659_2-(g1). Hierbei steht LKAS für das Landeskirchliche Archiv Stuttgart, anschließend folgt die Bestandssignatur, dann die Nummer der Verzeichnungseinheit. Darauf folgt die Teilnummer (hier: 2. Teil), ggf. ergänzt um die genauere Angabe der ursprünglichen Seite und Spur (hier: grüne Seite, 1. Spur). Die Dateinamen für die Tondokumente von den Schallplatten und Audiokassetten wurden ähnlich wie eben gestaltet, Bsp.: LKAS_K-24_Nr-2713_2_A. Das A steht für die Seite A (B entsprechend für die Seite B) der Schallplatte bzw. Audiokassette, zum Rest siehe eben. Bei jeder Verzeichnungseinheit ist die Gesamtspieldauer und die Spieldauer pro Audiodatei im Format h:mm:ss angegeben.
Empfehlung Bei Audiodateien mit mehreren Aufnahmen bzw. zur besseren Navigation innerhalb der Audiodatei ist es hilfreich, diese nicht mit einem Mediaplayer, sondern mit einem Audioeditor abzuspielen, da in diesem das Audiosignal visualisiert ist, wodurch Pausen bzw. Aufnahmeschnitte optisch erkennbar sind.
Uwe Heizmann, 29. Juni 2020 |